Die Dauerläufer
Kurzbericht über die Sachs Wankelmotoren, deren Enkel und Urenkel
von Reiner Nikulski

Als einer der ersten Lizenznehmer überhaupt begann die damalige Fichtel & Sachs AG mit der Entwicklung kleiner Wankelmotoren für verschiedenste Anwendungsgebiete. Da in diesen Marktsegmenten die Herstellungskosten hohe Priorität haben, verwendete man eine Luftkühlung mit integriertem Gebläse und Innenkühlung durch das eintretende Frischgas. Dadurch sparte man sich nicht nur wie beim Zweitakter einen Ölkreislauf ein, auch das wankelspezifische Dichtsystem konnte erheblich vereinfacht werden. Es entstanden kompakte und autarke Einheiten, die außer Vergaser und Auspuff keine weitere Außenperipherie mehr benötigten. Die folgenden drei Trochoidengrößen wurden 12 Jahre lang gebaut:

Sachs Wankelmotoren

Links:
Sachs KM 3, ein Langsamläufer mit 110 cm³ Kammervolumen, der 3 PS bei 3.300 1/min erreichte und fast ausschließlich in Rasenmähern verwendet wurde. Allein die Firma Wolf Geräte GmbH baute 25.000 Stück davon in ihren Rasenmähern ein, die teils jahrzehntelang problemlos in Betrieb waren.

Mitte:
Sachs KM 48 mit 160 cm³ Kammervolumen. Baugleich, jedoch mit schmalerem Rotor gab es noch den Sachs KM 37 mit 108 cm³. Mit 10 bzw. 6,5 PS waren sie die absoluten Bestseller in den 1960er- und 1970er-Jahren. Die gebaute Stückzahl kann heute nicht mehr nachvollzogen werden.

Es gab alleine mehrer Dutzende Anwendungen als Antrieb für Generatoren, Hydraulikpumpen, Feuerwehrspritzen, Erdlochbohrer, Motorsegler, Flurförderfahrzeuge, Skischlepplifte, Geschützantriebe usw. Die Schweizer Armee löste erst 2005 ihr Lager an unbenutzten KM 48 Ersatzmotoren auf, die dann auf begeisterte Abnehmer in Sammler- und Anwenderkreisen stießen.

Rechts:
Sachs KC 27 Motorradmotor mit 294 cm³ Kammervolumen und 27 PS. Er ist aus dem Sachs KM 914 Stationärmotor mit 303 cm³ entstanden. Letzterer fand in der Leistungsklasse bis 20 PS für die gleichen Anwendungen wie der KM 48/37 Verwendung. Mit dem KM 914 fanden die Sachs Wankelmotoren auch ihre ersten Fahrzeuganwendungen im gerade aufkommenden Schneemobilmarkt. Speziell dafür wurde er später zum stärkeren und nochmals kostengünstigeren Sachs KC 24 mit 24 PS weiterentwickelt.

 

Sachs und Hercules
Mit diesem KC 24 wagten die Nürnberger Hercules Werke – eine Tochterfirma der Fichtel & Sachs AG - den Sprung in den ebenfalls gerade boomenden Motorradmarkt. Im Jahre 1974 – also vor 50 Jahren – war die Hercules W 2000 mit dem nochmals erstarkten Sachs KC 27 das erste Serienmotorrad mit Wankelmotor!

Ein besonderer Markterfolg war ihr nicht beschieden. Japanische Anbieter hatten in der gleichen Klasse 5 PS mehr und kosteten 1000 DM weniger, so dass die zumeist junge Käuferschaft lieber dort zugriff. Von Anfang an bildete sich jedoch ein kleiner Kreis von Fans, die oftmals nur durch reinen Zufall an die W 2000 kamen. Sie wussten den bulligen Durchzug des Wankels und das für damalige Verhältnisse gute Fahrwerk zu schätzen, so dass die W 2000 doch noch zum vielgenutzten Reisemotorrad wurde. Fernfahrten vieler Fahrer nach Ägypten, Nicaragua, USA, Australien und ins Baltikum sowie Gespanntouren nach Südafrika und Indien belegen dies deutlich.

Besonders beliebt war der Sachs Wankel bei den Geländesportfahrern. Der Büffelcharakter sowie die stabile, allerdings schwere, Bauweise prädestinierten ihn für diese Einsätze. Schon die ersten (gelben) Vorserienfahrzeuge wurden von Amateurfahrern sofort in Staub und Schlamm gejagt, so dass erste Erfahrungen daraus sogar noch in das Serienfahrwerk einflossen. Es gab werksseitig verschiedene Geländesport-Versionen in Einzelstückzahlen. Von Anfang an entstanden aber auch unzählige Eigenbauten begabter Edelschrauber.

 Wankelmotorräder im Geländesport

Eine Parade von Hercules Wankel Geländesportmaschinen, jede für sich ein Unikat:
mit Serienrahmen, im BMW Rahmen mit Kardanantrieb,
mit flachgelegtem Wankel auf dem 7-Gang Getriebe und mit Luft- oder Wasserkühlung.

Der Wankelmotorenbau ist bei Sachs Ende der 1970er-Jahre eingestellt worden, die Zweitakter wurden noch bis in die 1990er-Jahre gebaut. Die ehemalige„Erfinder AG“ wurde 1997 in die Mannesmann Sachs AG und 2001 in die ZF Sachs AG umfirmiert. Motoren werden heute in Schweinfurt nicht mehr gebaut. Es muss noch erwähnt werden, dass der Erfolg von Sachs und besonders auch der Wankelmotoren in großem Maße durch die werkseigene Gießerei in Kitzingen entstanden ist, die hochwertige Werkstoffe herstellen und bearbeiten konnte. Darunter auch Werkstofflegierungen, die heute nicht mehr zu bekommen sind – wie wir bei Nachfertigungsaktionen feststellen mussten!

Bereits in den 1980er-Jahren formierte sich die „Hercules-Wankel-IG“. Sie kümmert sich um die Belange von Wankelzweirädern. Auch heute noch werden„exotische“ Motorteile nachgefertigt, um die Fahrzeuge am Laufen zu halten. Aber auch, um den großen Restaurierungsbedarf zu decken. Einige Mitglieder haben beeindruckende Sammlungen von Wankelexoten zusammengetragen, andere setzen die W 2000 im Klassik-Rennsport ein. Es scheint, als sei die W 2000 heute deutlich beliebter als zu ihren Verkaufszeiten – was ja bei Exoten oft der Fall ist.

 

BSA, NVT und Norton
Bereits Ende der 1960er-Jahre begann auch BSA in England mit Untersuchungen von Wankelmotoren in Motorrädern. In enger Zusammenarbeit mit Fichtel & Sachs benutzten sie zunächst deren Motoren für Einbauten in eigene Fahrwerke. Nach den Umstrukturierungen in der englischen Motorradindustrie begann bei der Norton-Villiers-Triumph Group und nachfolgend bei der neu gegründeten Norton Motors Limited eine intensive Weiterentwicklung.

Man verdoppelte den Motor zum Zweischeiber und verbesserte die innere Gasführung, Kühlung und Brennraum bzw. Muldenform deutlich. Für die ersten Modelle Interpol (Polizeimaschinen) und Classic beließ man es zunächst noch bei der äußeren Luftkühlung. Die Innenkühlung erfolgte wie schon bei Sachs durch die eintretende Ansaugluft. Durch notwendige große Luftzwischenkammern ging jedoch die ursprüngliche Kompaktheit etwas verloren. Für die folgenden Sport- und Tourenmaschinen Norton Commander, F1 und TT war wegen des erhöhten Leistungsbedarfs eine Wasserkühlung unumgänglich. Für kleine Fluggeräte fertigte man aber auch immer noch einen direkten Nachfolger des Sachs KM 48.

Ähnlich wie 15 Jahre früher bei der W 2000 fanden die Norton´s nur wenige Abnehmer im Kreis von Wankel- und/oder Nortonfans. Breiter bekannt wurden die „Norton Rotary`s“ aber durch ihre Einsätze im Motorrad-Rennsport in Großbritannien. Mit minimalem Budget trat man gegen werksunterstützte japanische Sportmotorräder an und konnte mehrmals Meisterschaften gewinnen. In 1992 gelang sogar ein Sieg bei der legendären Senior TT auf der Isle of Man.

Auch die Norton Motor Works gerieten bald in finanzielle Notlage und stellten Mitte der 1990er-Jahre die Produktion ein. Nach einigen Jahren Siechtum wurde Norton 2003 aufgelöst und das gesamte Inventar versteigert, von alten Namensrechten längst vergangener Motorradfirmen über Motorradteile, Werkzeuge und Maschinen bis hin zu gebrauchten Helmen und Handschuhen der Renn- und Testfahrer.

Auch in England formierten sich spontan Clubs wie der „Rotary Owners Club“.

Ein ganz extremer Fan kaufte um 2001 herum Reste der ehemaligen Rennmaschinen auf und baute mehrere Rennmaschinen wieder auf. Seit über 20 Jahren setzt er sie nun ein, und zwar nicht in Show- oder Oldtimerläufen, sondern im realen Classic-Rennsport wie der Classic TT auf der Isle of Man oder den 4 h von Spa. Mit intensiver Weiterentwicklung hat man inzwischen absolutes Profi-Niveau erreicht. Die Norton Rennmaschinen von 1992 geben auch heute noch ein modernes Bild ab. Die Aktivitäten von WizNorton sind auf den modernen Medien wie Facebook usw. zu verfolgen. Erst kürzlich hat Wiznorton auch eine in England als „DKW“ vermarktete W 2000 zur Rennmaschine aufgebaut und im Jahr 2023 in der kleinen Klasse auf der Isle of Man mitlaufen lassen. Somit ist der „DKW W 2000“ 49 Jahre nach ihrer Entstehung auch die Ehre einer TT Teilnahme zuteil geworden.

 

UAV und MidWest/Diamond
Der Bedarf an Antrieben für kleine Fluggeräte war aber weiterhin hoch. Die im Flugbereich üblichen Gasturbinen sind für die kleinsten Leistungsklassen zu teuer und haben einen hohen Kraftstoffverbrauch. Hier können kompakte Wankelmotoren ihre Vorteile voll ausspielen. Aufgrund des kreisähnlichen Frontquerschnitts von Wankelmotoren passen diese – wie die Gasturbinen - sehr gut in enge Flugzeugrümpfe hinein. Durch den Viertaktzyklus ist der Kraftstoffverbrauch zumindest gegenüber Gasturbinen und Zweitaktern deutlich niedriger. Die Vibrationsarmut schont die Leichtbaustruktur des Fluggeräts und nicht zuletzt haben sie ein hohes Leistungsniveau bei geringem Gewicht.

Aus der Norton Motors Limited formierte sich daher direkt die UAV Engines Ltd. zum Bau von Flugmotoren. Der Typ AR731 ist der ursprünglich bei Norton entwickelte NR731. Man verwendete hier die geometrischen Grunddaten der großen Norton Motoren mit den äußeren Abmessungen des kleineren KM 48. Mit einer veränderten Rotorbreite wurden 208 cm³ Kammervolumen erreicht. Durch die Fahrtwind-Luftkühlung ist der Motor extrem kompakt und erreicht 38 PS bei nur 10 kg Trockengewicht – Leistungsgewicht 3,8 PS/kg.

Für größeren Leistungsbedarf ist die 294 cm³ Einheit mit Wasserkühlung auf bis zu 60 PS gebracht worden. Für diese Leistung braucht man aber einen direkten Umfangseinlass. Für die Innenkühlung wird daher ein eigener Kühlluftstrom durch ein Auspuff-Ejector-System erzeugt. Das Trockengewicht ist aber durch diese Nebenaggregate mit 24 kg deutlich höher, das Leistungsgewicht ist also 33 % niedriger als bei der kompakten Luftkühlung. Diese Motoren sind weitverbreitet im Einsatz. Es gibt auch Zwei-Scheiben-Versionen.

UAV Engines ist später in den israelischen Elbit Konzern integriert worden. Etwa zeitgleich wie UAV entstand die MidWest Engines Limited. Ebenfalls auf Norton Basis aufbauend entstanden hier Motoren mit Wasserkühlung für den zivilen Flugverkehr. Für die innere Luftkühlung ist hier ein eigenes Gebläse zuständig. MidWest Motoren sind in diverse exotische Fluggeräte und in großer Anzahl in Motorsegler eingebaut worden.

Kupplungsbeläge

Selbst in dem schmalen Segelflugzeugrumpf ist der 294 cm³ Wankel
unter Saugrohr und Auspuff kaum zu erkennen.

Hier ist der Propeller mit dem Wasserkühler zum Start ausgeklappt.
Auf Segelflughöhe wird der Arm eingeklappt und äußerlich ist das Gerät
dann nicht mehr von einem reinen Segelflugzeug zu unterscheiden.


MidWest wurde später in den österreichischen Diamond Konzern eingegliedert.

 

Woelfle/Aixro und Rotron
Zur gleichen Zeit etwa 1996 begann bei Woelfle Engineering die Entwicklung eines kompakten Kartmotors als Gegenpol zu den noch üblichen Zweitaktern. Mit der Sachs Grundgeometrie mit ebenfalls 294 cm³ Kammervolumen, aber Wasserkühlung, erreicht man bis zu 44 PS bei 18 kg Motortrockengewicht. Wie ehemals bei Sachs sorgt das eintretende Gemisch für die Innenkühlung. Nur für die maximale Leistung bei Vollgas wird auf direkten Umfangseinlass geschaltet.

Durch das typische Betriebskollektiv eines Karts (und auch eines Fluggeräts mit Start- und Reiseleistung) mit nur kurzen Vollgasphasen ist das auch für die Innenkühlung problemlos.
Diese Motoren werden seit 1999 auch für verschiedene andere Anwendungen bei der Fa. Aixro Rotary Engines in Aachen mit modernsten CNC- Fertigungsmethoden bis heute hergestellt. Seitdem sind ca. 5.000 Motoren gebaut worden, die ca. 700.000 Betriebsstunden absolviert haben.

Besondere Aufmerksamkeit erlangte man in Fachkreisen im Jahre 2007. Gilo Cardozo, ein englischer Paraglider-Pilot und auch Hersteller solcher motorisierter Fluggeräte, entwickelte auf Basis eines solchen Aixro Wankel einen hochaufgeladenen Höhenmotor. Mit seinem eigenen Fluggerät erreichte er damit im Himalaya die Gipfelhöhe des Mount Everest in 8.800 m Höhe über dem Meer.

In 2008 gründete Gilo Cardozo die Rotron Power Limited und begann ebenfalls mit der Herstellung kleiner, kompakter Wankelmotoren mit Luft-Innenkühlung für Fluggeräte. Auch hier werden 300 cm³ Kammervolumen angegeben. Auch das aktuelle Trackday-Superbike, die Crighton CR700W eines ehemaligen Norton Mitarbeiters, entsteht bei Rotron.

 

China, Indien, Iran
Die Zhejiang Hongling Electromechanical Co. Ltd. bietet ein benzinbetriebenes Stromaggregat mit Wankelmotor an, dessen geometrische Grundmaße wiederum den alten Maßen entsprechen. Auch auf Fachveröffentlichungen von Hochschulen sieht man auf Bildern unverkennbar die Konturen der KM 48 Kühlrippen. Da dies wohl kaum noch Sachs Motoren sein können, wird dieser Motor offenbar irgendwo in China immer noch produziert.

Auch die größeren Flugmotoren tauchen dort immer wieder auf, vermutlich inspiriert durch UAV bzw. Elbit. Sie treffen dort auf einen großen Markt von unbemannten Drohnen, und zwar nicht nur für militärische Zwecke. In China werden Versorgungsleitungen von Strom, Gas oder Öl vor allem in unwegsamem Gelände von solchen relativ billigen Drohnen überwacht. Und bei den dortigen Entfernungen dürfte eine ganz schön große Flotte vorhanden sein. Auch in Indien und im Iran sind Wankelmotoren an Fluggeräten aufgetaucht, die anscheinend im eigenen Land gefertigt wurden. Dabei hat man sich offenbar an die chinesischen Vorbilder gehalten. Aber gesicherte Informationen oder gar Details sind aus diesen Ländern nicht zu bekommen.

 

Fazit
Dieser Abriss soll die lange Entwicklungsreihe dieser kleinen Wankelmotoren aufzeigen und erhebt keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Fast vollkommen unbekannterweise sind also noch zahlreiche solche Motoren in Produktion und Einsatz. Ein großer Teil nutzt immer noch die geometrischen Grunddaten von Sachs bzw. Norton. Die Kammervolumen 108, 160, 208 und 294 cm³ tauchen immer wieder auf. Auch die simple Innenkühlung durch Luft oder Gemisch ist aufgrund der Kompaktheit für solche Kleinmotore nach wie vor aktuell.

Mehrere Dutzend Berichte, Paper oder Patente von Firmen und Hochschulen in China, Taiwan und Israel zeigen aber, dass Weiterentwicklungen im Detail oder auch zukunftsträchtiger Art wie z. B. der Betrieb mit Wasserstoff nur noch im fernen Osten stattfinden. In der „alten Welt“ war man in den letzten 25 Jahren hauptsächlich mit Firmenübernahmen und Umstrukturierungen beschäftigt. Kleine Startup´s wie Aixro oder Rotron bilden da die rühmliche Ausnahme. Und sie zeigen, dass es mit Eigenengagement und neuen Ideen sehr wohl auch hier noch möglich ist!

© 2024 Reiner Nikulski - Hercules Wankel IG

Letzte Aktualisierung am 03.04.2024  

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