Ein kurzer Abstecher in die Schweiz

von Ulrich Heuling

Nach Auf dem Jahrestreffen in Lahr luden Monika und Hanspeter Günthart zu einem Treffen bei ihnen in Bäretswil in der Schweiz ein.

Ich hatte Lust hinzufahren. Aber eigentlich fährt man zu einem Motorradtreffen mit dem Motorrad, dachte ich, und nicht mit dem Auto. Da ich weder über Reise- noch Langstreckenerfahrung verfügte, wäre das wohl eine Herausforderung. Aber warum nicht?
Meine Hercules lief seit der Restaurierung recht gut. Hatte ich sie doch nach 40 Jahren mit ca. 6.000 km wieder in Betrieb genommen, war ich jetzt schon bei ca. 11.000. Es müsste doch eigentlich gehen ...

Aber es tauchten viele Fragen auf: Wie viel oder wie wenig Gepäck brauche ich und wie kann ich es mitnehmen? Auf Landstraßen kommt man nicht gut voran, aber wenn ich Zeit genug habe, ist das doch abwechslungsreicher als Autobahn. Und wieviele Autobahnkilometer kann ich denn am Stück aushalten? Die längste Strecke, die ich mal gefahren bin, waren 200 Kilometer und das nicht nur Autobahn.

Aber der Gedanke reizte doch! So wurden Pläne geschmiedet. Wer kann mich gegebenenfalls abholen, wenn meine Hercules nicht will? Wie kann ich wieviel Gepäck transportieren? Wie teile ich die Strecke ein, es sind immerhin 700 km pro Weg.
Motorradausfall: Kein Problem, meine Tochter und ihr Mann würden mich abholen, von wo auch immer.
Gepäck: Kein Problem, sie liehen mir einen Gepäcksack für den Gepäckträger. Einen Rucksack beschaffte ich selber.
Strecke: Ein Zwischenstopp in Stuttgart wäre sinnvoll. Den Freitag für die Anfahrt einplanen und samstags weiter nach Bäretswil. Sonntag Rückfahrt antreten und nach Bedarf noch einmal übernachten, o.k.
Wieviel Öl würde ich brauchen und wieviel kann ich mitnehmen?

Also wurde es konkreter! Ich überlegte:100 m vorm Haus auf die B64 bis Paderborn, von dort auf die Autobahnen 33 und 44 bis Diemelstadt.
Dann ein Stück Landstraße nach Marburg (wie wir früher immer zu Rennen im Süden gefahren sind, als es noch keine A 45 gab), dort wieder auf die Autobahn.
Weiter über Großostheim (auch eine alte Geschichte) am Main entlang, Miltenberg, Walldürn, dann auf die A 81 Richtung Heilbronn und Stuttgart.
Für den Rest bot sich eigentlich nur die Autobahn an.

Ich begann zu packen. Zur Übernachtung boten Monika und Hanspeter eine Möglichkeit mit Schlafsack, Luftmatratze brauchte ich nicht mitzubringen. Das war schon mal etwas weniger Gepäck.

Öl: Ich kannte den Verbrauch meines Wankel nicht, schätzte aber auf max. 10 Tankstopps á 0,5 l Öl. Meine Standard-Ölflasche fasst 0,5 l. Den Notvorrat hinter dem Seitendeckel konnte ich von 0,2 auf 0,4 l erhöhen. Auf dem Motorblock hatte ich rechts schon mal eine Literflasche mit einem Gummiband befestigt, das sah sehr gut aus. Links passte das nicht so gut, also noch eine ins Gepäck? Hoffentlich läuft da nichts aus.

Karten? Das Smartphone hat alles. Alles? Und immer,wenn man es braucht, ist der Akku leer. Also noch eine Steckdose nachrüsten, damit ich es notfalls am Motorrad laden kann.
Der Termin rückte näher und der Wetterbericht versprach tagelang gutes Wetter. Gottseidank, denn 3 oder 4 Tage Regen, das ist nichts mehr für einen alten Mann, und dann macht alles auch keinen Spaß.
Ich stimmte meinen Besuch mit Ralph in Stuttgart ab und dann sollte es losgehen.
Donnerstag rief spätnachmittags ein Kunde an, der Schwierigkeiten mit einer unserer Maschinen hatte und um Hilfe bat. "Du bist doch sowieso grad in der Schweiz," sagte meine Tochter, "da kannst du doch eben mal gucken. Ist in der Nähe von Bern, also kaum ein Umweg." Ist also nichts mit Urlaub am Montag, na ja, dafür vielleicht Dienstag.

Also los: Freitag um 8:00 Uhr (fast) vollgetankt Abfahrt mit Kilometerstand 9.713.Wie weit reicht der Sprit, wie sind die Autobahntankstellen verteilt?

Kilometer 9.936: Kurz vor Marburg Umschalten auf Reserve. Das reicht ja weiter als ich gedacht habe. Einen halben Liter Öl und 13,5 l Benzin nachgefüllt und auf nach Aschaffenburg. In der Wetterau zogen schwarze Wolken auf, die Straße war schon nass, aber am Horizont wurde es wieder heller. Eine kleine Mittagspause würde jetzt schon passen und dann wird es sicher wieder trocken.
So war es. Es ging weiter durch's Maintal und kurz vor der A 81 bei km 10.150 Reserve. An einer kleinen Tankstelle die erste Ölflasche zur Hälfte in die Standard-Ölflasche und den Rest in den Tank.
In Stuttgart ohne Tankrucksack mit Karte und ohne Navi eine Straße zu finden, war mit der Großbaustelle und den Umleitungen nicht leicht.

Kurz vorm Ziel krachte es beim Losfahren an einer Ampel mit Steigung und der Motor drehte mit lautem Rasseln durch. Getriebe? Nein, die Kette war abgesprungen und Schieben ging auch schwer. Bei näherem Hinsehen sah ich, der Kettenspanner war gerissen und das Rad schliff an der Schwinge. Gut, dass Ralph schnell mit Auto und Werkzeug kam. Wir richteten das Rad aus und ich fuhr vorsichtig weiter zu seiner Garage. Er hoffte, noch einen Kettenspanner in Reserve zu haben. Das war aber nur eine Hoffnung, der einzige verfügbare saß an seiner Hercules. Die Arme musste als Ersatzteilspender herhalten, bekam so eine Woche Pause und für die Nacht eine zweite Wankel in die Garage. Ralph hatte meine inzwischen leere Ölflasche gesehen und noch eine Nachfüllung spendiert.

Gut ausgeruht ging es am nächsten Morgen weiter über die A81 in Richtung Schaffhausen. Schon bei km 10.339 ging der Motor aus, Umschalten auf Reserve. Der Stadtverkehr hat doch seinen Tribut gefordert und so habe ich die Luftmesswerte ein bisschen mit beeinflusst.
Grenzübergang Schaffhausen: Brauchen Motorräder auch eine Vignette? Natürlich, alle Fahrzeuge brauchen auf der Autobahn eine gültige Vignette! Also rein, Vignette kaufen. Aber wo klebe ich sie denn hin? Neben dem Nummernschild ist kein Platz. Na ja, dann eben seitlich auf den Kotflügel. Und für die Schutzfolie brauche ich eigentlich einen Papierkorb, aber ich sehe keinen. Da stehen drei Zollbeamte, die für besondere Untersuchungen abgestellt sind. "Haben Sie hier einen Papierkorb oder können Sie mir das abnehmen?" "Ja, aber was ist mit dem Öl? (Er sah die Flasche auf dem Motorblock) Gehört das in den Motor?"

"Nein, in dem Motor ist kein Öl, das kommt in den Tank." "Was wird damit?" " Das kommt zum Benzin in den Tank. Ist eben ein gemischgeschmierter Viertakter!" "Komischer Motor!" "Ja, eben ein Wankel." " Ja, dann gute Fahrt!"

Die Sonne schien und für ein Erinnerungsfoto sollte doch Zeit sein. So folgte ich den Schildern zum Rheinfall und fand eine Stelle mit Haltemöglichkeit für ein Motorrad und einem herrlichen Blick auf den Rheinfall. Ein Foto und weiter ging's.

W 2000 am Rheinfall

W 2000 am Rheinfall in Schaffhausen

Gegen 14:30 Uhr traf ich in Bäretswil ein. Monika stand im Hof und sagte: "Die anderen sind schon losgefahren. Aber hier hast Du eine Wegbeschreibung, da kannst Du hinterherfahren."
Ich fand "die anderen" beim Mazda-Wankel-Spezialisten und Sammler Kurt Hofstetter in Dussnang-Vogelsang. Ich kann gar nicht behalten und aufzählen, was es da alles zu sehen gab. Es wäre einen eigenen Artikel wert, Hanspeter. Es ist einfach immer wieder beeindruckend und faszinierend, was Sammler im Laufe vieler Jahre - auch an Werten - zusammentragen. Eine Lebensaufgabe, eine Lebenseinstellung?

Von Vogelsang ging es dann über ungezählte Kurven (es waren, glaube ich, auch ein paar kurze Geraden dazwischen) zurück nach Bäretswil. Dort war noch etwas Zeit, Hanspeters ebenfalls bewundernswerte Sammlung russischer Wankel-Spezialitäten zu bewundern. Ein Kreiskolbenmotor muss eben nicht unbedingt einen dreieckigen Kolben haben, es geht auch mit einem viereckigen im "dreirunden" Gehäuse.
Monika hatte inzwischen ein tolles Büffet vorbereitet und zusammen mit ein paar Helfern gab es reichlich Gegrilltes, Salate und Getränke. Irgendwann waren dann aber doch alle von "des Tages Last und Mühen" geschafft und einer nach dem anderen begab sich zur wohlverdienten Nachtruhe.

Am nächsten Morgen versorgte uns Familie Günthart mit einem üppigen Frühstück, das wohl bis zum Abend reichen sollte. Nach und nach brachen alle auf und traten die Heimreise an.
Ich brach auch auf, aber nicht zur Heimreise. Ich fuhr weiter über Rapperswil, Zug, Luzern, durchs Emmental nach Tägertschi.
Am nächsten Morgen traf ich den Kunden und besprach mit ihm die nötigen Details. Kurz vor Mittag waren wir fertig.

Als ich gerade den Schutzhelm aufsetzen wollte, klingelte mein Telefon. Ein Kunde aus der Nähe von Darmstadt hatte Probleme mit einem Prototypen von uns. Da müsste eigentlich mal jemand kommen und gucken. "Kein Problem, fahre gleich los!"
Also auf nach Weiterstadt. Nix mehr Pause bei Bertram in Ettenheim, weiter. In Weiterstadt sah ich mir unsere Maschine an und die Probleme mit der Hydraulikanlage. Da wir für den nächsten Morgen einen Termin mit dem Lieferanten der Hydraulik vereinbart hatten, an dem ich eigentlich nicht teilnehmen wollte, musste ich mich nun doch beeilen.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Motorrad im Bereich der Kraftübertragung (Winkel- oder Schaltgetriebe) lauter geworden war. Aber jetzt wollte ich auch nicht aufgeben und doch mit eigener Kraft die Reise zu Ende bringen.
Noch ein Tankstopp unten am Autobahnkreuz Olpe und dann Endspurt. Um 22:00 Uhr war ich nach 1.892 km wieder zurück.

Jetzt steht die Revision des umgebauten Kupplungsausrückers und des Getriebes an und so geht es immer weiter mit der guten alten Hercules!

km-Stand
km
Verbrauch
9713
Start
9936
223
6,1
Marburg
10150
214
6,3
vor der A 81
10339
189
7,1
Herrenberg (nach Stadtverkehr Stuttgart)
10559
220
6,1
Bäretswil/Vogelsang
10783
224
6
- unbekannt -
11008
225
6
Hartheim
11227
219
6,2
Ladenburg
11440
213
6,3
Olpe
11605
165
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Summe: 1.892 km, 118 L Benzin, 4,35 L Öl, Durchschnittsverbrauch ca. 6,25 L/100 km

Und zum Schluss noch ein "apetizer" für alle die, die sich die Schweiz bisher haben entgehen lassen:

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© 2018 Ulrich Heuling - Hercules Wankel IG

Letzte Aktualisierung am 04.01.2019  

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