Mawanka

von Ralph Schelle

Im Jahre 1959 begann die italienische Firma Malanca mit der Fertigung von 50cm³-Kleinmotorrädern. Nach und nach werden auch größere, meist betörend schöne Modelle bis 150ccm gebaut. In der kleinen Firma arbeiten begnadete Designer, die konsequent eine italienische Linie verfolgen. Malanca-Konstrukteure, von kostenkontrollierenden Controllern offensichtlich weitgehend verschont, verbauen im Bereich der Gabel, der Felgen, der Bremsen und der Stoßdämpfer ausschließlich edle Ware.

Malanca mit Wankel

Aufwendig gebaut sind auch die späteren, 2-zylindrigen 125er-Modelle mit zwei Vergasern, elektronischer Zündung und 6-Gang-Getrieben. Die Maschinen sehen nicht nur schnell aus, sondern sind es auch: 26 PS aus 125 cm³ sind eine Ansage, selbst, wenn es sich um italienische PS handeln sollte.

Entsprechend teuer sind die kleinen Motorräder. 1984 kostet eine 125er Malanca stramme 6.500 DM. Für dieses Geld erhält man auch ein "richtiges" Motorrad, zum Beispiel eine Yamaha RD 350 YPVS mit 59 PS. Verständlich, dass sich Malanca so kaum am Markt behaupten kann und letztendlich 1986 seine Fertigung einstellen muss. In der Folgezeit werden viele Malancas im Alltag verheizt und gelangen nur vereinzelt in einen Liebhaberstatus.

In den nachfolgenden Jahrzehnten ist die Fangemeinde überschaubar. So ist es auch kein Wunder, dass Malancas im Jahre 2017 richtig selten sind.

Es verwundert daher nicht, dass beispielsweise in ganz Holland gerade mal 4 Malancas in der aktuellen Zulassungsstatistik auftauchen. Gleichwohl ist es F. Kleine aus dem niederländischen Meppel gelungen, eine 125er Malanca aufzutreiben. Ihm dient das kleine Motorrad als Basis für einen Umbau, den es in dieser oder ähnlichen Form wohl noch nicht gegeben hat, denn er transplantiert in das italienische Fahrwerk einen 108 cm³-Wankelmotor des Typs Sachs KM 37.

Wer nun glaubt, dies sei ein in einer Bierlaune entstandene und an zwei Wochenenden umgesetztes Projekt, möge nun eines Besseren belehrt werden: Kleine war Zeit seines Lebens im Motorenbau beschäftigt und weiß kraft seiner Ausbildung und seines Berufs ziemlich genau, wie man ein solches Projekt professionell umsetzt.

Malanca mit Wankel

Bildhübsch: Malanca mit Wankelmotor

Malanca mit Wankel

Das Emblem trägt stolz das Kürzel des Erbauers!

Beispielsweise lässt sich der Transfer eines Motors in einen Rahmen mit geeigneten Adapterplatten bewerkstelligen - oder man macht es gleich richtig und passt, wie Fokko Kleine, den vorhandenen Rahmen aufwendig an, indem man die die Halterungen im "Malanca-Stil" exakt an geeigneten Rahmenstellen platziert.

Beim Einbau des Motors muss vereinzelt auch an anderen Stellen Platz geschaffen werden. Ein Ansaugstutzen trifft auf ein querstehendes Rahmenrohr? Dann muss nicht der Ansaugstutzen, sondern eben das Rahmenrohr versetzt werden…

Leider verfügt der KM 37-Stationärmotor über keine Lichtmaschine. Flugs werden Front-, Rück- und Bremslicht mittels Leuchtdioden betrieben und wie die Hupe über einen kleinen Akku gespeist. Blinker benötigt das Fahrzeug baujahrbedingt keine. Ein Unikum ist das Getriebe: Es gibt keines! Immerhin verfügt der Motor serienmäßig über eine Fliehkraftkupplung. Diese rückt aber für einen Motorradbetrieb zu früh aus. Kein Problem für Kleine - dann muss der Ausrückmechanismus eben umgebaut werden.

Beim kompletten Entfall des Getriebes stellt sich die Frage: Passt denn die Motordrehzahl? Klare Antwort: Nicht wirklich. Mit den üblicherweise in Motorrädern verwendeten Ritzel-/Kettenrad-Übersetzungen kommt das Fahrzeug auf etwa 45 km/h.

Malanca mit Wankel

90 Zähne am Kettenrad!

Ritzel und Kettenrad müssen also radikal geändert werden. Radikal heißt: Vorne 10 Zähne, hinten 90! In der Folge hat das hintere Kettenrad bald den Durchmesser der Felge. Da es ein solches Bauteil nicht zu kaufen gibt, fertigt man sich das eben selbst.

Die Ausgangswelle des Stationärmotors mündete einst direkt fluchtend in eine Generatorwelle. Im Motorrad eingesetzt, trägt diese Achse nun ein Kettenritzel. Zur Abstützung der nun auftretenden radialen Kräfte erhält dieser Wellenstumpf ein beidseitig gedichtetes Stützlager mit Dauerfettfüllung. Ein Kochtopf aus Edelstahl ist zugleich Kupplungsgehäuse und Stützlageraufnahme.

Malanca mit Wankel

Von dieser Karriere können andere Töpfe nur träumen:
Wo früher Kartoffeln kochten, bruzzelt heute ein Wankelmotor!

Lässt sich denn ein derart umgebautes Fahrzeug überhaupt regulär anmelden? Beim Nehmen der Zulassungshürde ist Kleine anmeldekreativ. Die Maschine verfügt tatsächlich über Papiere und ein ordentliches Kennzeichen.

Der Praktiker würdigt die herausragenden Arbeiten, stellt aber die berechtigte Frage, wie sich denn ein solches 1-Gang-Wankel-Motorrad im realen Fahrbetrieb verhält? Die Frage kann beantwortet werden: Dem Autor wurde (als erstem Gastfahrer überhaupt!) die Ehre zuteil, diesen Exot bewegen zu dürfen.

Ein solches Angebot muss natürlich umgehend wahrgenommen werden. Außentemperatur 3°C? Egal! Kein Helm, keine Handschuhe, keine Stiefel, keine Motorradjacke? Doppel-egal! Draufsitzen, und zwar sofort!

Erstmal muss der Motor gestartet werden. Kickstarter sind ja heute out; wirklich coole Motorradfahrer ziehen ihren Motor mit einem Seilzug an. Kurz die Schwimmerkammer getupft, einmal kräftig am Seil gerissen und der kalte Motor springt sofort an, um mit seinem charakteristischen brätbrätbrät unmissverständlich mitzuteilen, welche Motorenbauart da arbeitet.

Malanca mit Wankel
Seilzugstarter

Ok, Kupplung ziehen - ach, nein, da ist ja nichts, also einfach Gas geben und die Fliehkraftkupplung arbeiten lassen. Die wankelmotorbefeuerte Malanca setzt sich in Bewegung. Das Anfahren ist es etwas zäh; bis vielleicht 35 km/h scheint die Kupplung noch am Arbeiten zu sein, doch dann ist der volle Kraftschluss da und die Malanca zieht mit vertrautem Sound los.

Das Motorrad lässt sich spielerisch bewegen. Alle Positionen passen, alles geht wunderbar leicht. 3 Scheibenbremsen träumen von wahren Herausforderungen. Beste italienische Fahrwerkskomponenten und ein Motorradgewicht von unter 100 kg bewirken, dass das bloße Denken an eine bestimmte Fahrtrichtungsänderung diese schon vollziehen lässt.

Und die Leistungsfähigkeit des über 50 Jahre alten Motors? Die Sachs-Datenblätter geben eine Leistung von 6,6 PS bei 5.500 UPM an. Der größere Vergaser, geänderte Einlasskanäle und vor allem die Stellung meiner Mundwinkel lassen etwas mehr vermuten. Darauf weist auch die Tachoanzeige von knapp 90 km/h hin.

Mit roten Ohren und gefrorenen Fingern komme ich von der Probefahrt zurück. Was für ein Lebensglück. Was für ein Motorrad. Danke, Herr Kleine, für dieses rundum gelungene Meisterstück!

Malanca mit Wankel

© 2017 Ralph Schelle - Hercules Wankel IG

Letzte Aktualisierung am 17.04.2017  

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