Kroatien-Rennen 2014: Unbemerkter Zwischenfall
von Reiner Nikulski

Ich berichte heute über einen (während des Laufes unbemerkten) Zwischenfall beim Rennen 2014 in Kroation (Zagreb-Kurve).
Oder: Woher wir kamen ...

Zwischenfall Kroatien-Rennen 2014

In der letzten Kurve der letzten Runde eingehakt.

Herunterschalten ging noch ohne Weiteres.

Deswegen hat es der Fahrer erst bei einem zufälligen Blick aus dem Boxenstuhl heraus bemerkt.

Wieder einmal wurden wir bei einem Einsatz mit dem blauen Renner von einem unvorhersehbaren Zwischenfall überrascht: In der Zagreb-Kurve ist der Schalthebel beim Einhaken in die grobgeriffelten Curbs abgebrochen. Gottlob ist nichts Schlimmeres passiert!

Ein typischer Fall für die Krabbelkiste. Wer erinnert sich noch an den Tipp vom alten Klacks? Auf großer Tour muss man immer eine Schachtel mit allerlei Krimskrams, Schrauben, Scheiben, Stängelchen, Buchsen, Draht usw. dabei haben. Tatsächlich findet sich im Nu eine Lösung für einen provisorischen Schalthebel. Nur müssten diese beiden Distanzbuchsen von einem 10-er auf ein 16-er Loch aufgebohrt werden.

Wie kriegen wir mitten im fremden Kroatien ein 16-er Loch in eine Buchse? Bei einer solchen Größe kann natürlich im Fahrerlager niemand mehr helfen. Unsere Pensionswirtin Suzana, die inzwischen eine gute Bekannte geworden ist, hat 25 Jahre lang in Sindelfingen gearbeitet. Deswegen können wir ihr auch als absoluter Nicht-Technikerin unser Anliegen verständlich machen. Sie ist wahnsinnig hilfsbereit und ein wahres Organisationstalent!

Ihr Netzwerk läuft an ... Der autobastelnde Nachbar verweist an eine Werkstatt, diese wiederum an eine Adresse in einem naheliegenden Bauerndörfchen. In einem unscheinbaren Haus - wie viele andere hier auch - ist seitlich eine Einfahrt zu einer gut eingerichteten Autowerkstatt. Suzana übersetzt dem recht jungen Meister unser Anliegen. "Kein Problem. Bis wann?" "Möglichst gleich".

Er lächelt nur ganz kurz. Später erfahre ich, dass er ziemlich erfolgreicher Autocross-Fahrer ist. Und deshalb unser "möglichst gleich" nur allzu gut versteht. Sofort läuft er mit mir zu der kleinen Hütte unten am Wiesenrand hinunter, die wohl mal ein Ziegenstall oder so etwas war.

Dort verschlägt es mir zunächst mal die Sprache. Ein halber Maschinenbaubetrieb wurde hier hinein gepfercht. Oberhalb der großen Ständerbohrmaschine und der Fräse ist an der Wand, sauber in Holzleisten steckend, ein ganzes Arsenal von Bohrern aufgereiht. Schön nach steigendem Durchmesser geordnet bis zu einer geschätzten Größe von 30 mm. Den gesamten linken Teil nimmt über ¾ der Länge ein Riesentrumm von Drehbank ein. Richtig alten Maschinenbau repräsentierend und im hoch effizienten Mitteleuropa längst ausgemustert, leistet sie hier noch gute Dienste. Weil der große Antriebsmotor mit den sechs Keilriemen weit hinten hinaussteht, wurde dort ein Loch in die Wand eingeschlagen, damit das gute Stück näher herangerückt werden kann. Den restlichen Platz nimmt eine Flächenschleifmaschine ein, russischer Stabilbau. Weil der Tisch weit seitlich hin- und herschwenkt, ist auch hier die Wand abgetragen und außen einfach ein 2x1x1 m großer Quader angemauert worden. Man muss sich nur zu helfen wissen!

Der Meister macht sich gleich ans Werk. Gleich beim Ansetzen des Bohrers spritzen kleine Brocken weg. Ohje, gehärtet - jetzt ist alles aus! Den Meister beeindruckt das aber kein Bisschen. Irgendwelche Hebel werden umgestellt und voll konzentriert beugt er sich über den Reitstock, die linke Hand am dicken Bohrer. So wie ein Physiotherapeut die Verspannungen seines Patienten erfühlt. Mit der rechten Hand ganz vorsichtig Vorschub gebend dauert es eine Weile, aber dann sind die Löcher einwandfrei drin. Ohne die Buchsen oder das Werkzeug vermurkst zu haben!

Für die immerhin doch eine halbe Stunde dauernde Aktion will ich ihm 50 Kunen geben. Aber Suzana bremst mich aus:" Biss du varrikt, höchstens 20." Was mal gerade drei Euro wären. Er freut sich, dass er sich heute abend einen Drink genehmigen kann.

Diese Aktion hat mich tief beeindruckt und nachdenklich gemacht! Und zwar nicht, weil man hier für ganze drei Euro zwei 16-er Löcher gebohrt bekommt. Sondern weil hier das Netzwerk aus Freundschaft, Verständnis und Nachbarschaftshilfe noch super funktioniert! Und weil es hier noch die Fähigkeit gibt, mit viel Geschick aus wenig Vorhandenem ohne großes Lamentieren famose Sachen entstehen zu lassen. So muss es bei uns in den 1950er-Jahren auch gewesen sein, als man mit den verbliebenen Resten aus den Trümmern das Wirtschaftswunder aufgebaut hat.

Zwischenfall Kroatien-Rennen 2014

Nachdenklicher Fahrer:

Beim abendlichen Ablaufen der Strecke hat er das Bruchstück tatsächlich wiedergefunden!

Ich denke daran, wie viele Schwierigkeiten wir heute zu Hause nur allzu oft haben. Wie weit und breit niemand mehr so simple Sachen wie Alu flachschleifen übernehmen will - oder kann! Und schon gar nicht in Einzelstückzahlen. Früher hat so etwas die Zylinderschleiferei unten in der Stadt mal eben nebenher gemacht.

Überhaupt wird bei uns gar nichts mehr repariert, Zylinderschleifereien und Motorenüberholer sind unbemerkt fast vollkommen verschwunden. Ganz zu schweigen von dem nun schon jahrelangen vergeblichen Theater bezüglich Laufbahn beschichten. Und das in einem High-Tech Land!

Wie würde das mit dem jungen Autocross-Meister wohl bei uns aussehen? Ein findiger Berater würde ihm erklären, dass das mit dem alten Ziegenstall ja gar nicht geht. Der muss weg und ein geräumiger Neubau her. Allein schon zum Repräsentieren. Natürlich mit modernsten CNC Maschinen und 3D-Druckern. Zufälligerweise könnte der Berater natürlich auch gleich eine Finanzierung anbieten. Unser junger Meister hätte dann einen hocheffizienten Betrieb für perfekte Fertigung. Nur müsste er bei dieser Investition erst mal 20 Jahre lang ordentlich ranklotzen. Und könnte sich seine Autocross-Flausen ganz sicher erst einmal aus dem Kopf schlagen. Über den abendlichen Drink könnte er sich auch nicht mehr freuen. Diese halbe Stunde müsste schon 50 Euro bringen, 25 davon allein für die Bank!

Vielleicht ist es dieser übertriebene Perfektionismus, dieses vollkommen überzogene Effizienz- und Rentabilitätsstreben und diese Vollkasko-Garantiementalität, die uns immer starrer und unflexibler werden lassen. Und die uns möglicherweise gegenüber der globalen Konkurrenz immer mehr ins Hintertreffen geraten lassen.

"Unterdrücke den Spieltrieb des Kindes (des Bastlers, des Erfinders), und du wirst sehen, dass es sich nicht mehr weiterentwickelt", weiß jeder Pädagoge.

Wir haben es selber in der Hand ... wohin wir gehen!

Zwischenfall Kroatien-Rennen 2014

Bei solch einer Situation muss es wohl passiert sein.
Hier ist der Hebel aber noch dran. Eigentlich unglaublich, dass das Knie nichts abgekriegt hat!

© 2015 Reiner Nikulski - Hercules Wankel IG

Letzte Aktualisierung am 11.04.2015  

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