Wie
schnell muss eine W 2000 sein - wann läuft sie richtig?
Erfahrungsbericht über die Leistungsentfaltung
einer W 2000 von Gerd Hilling
Kürzlich wurde ich von einem Mitglied nach der Endgeschwindigkeit meiner W2000 befragt und wie sich die Leistungsentfaltung in der Fahrpraxis über die einzelnen Gänge bis hin zur Höchstgeschwindigkeit im Vergleich mit mehreren W 2000 darstellt. Der normale Wankelfahrer beurteilt seine Leistung nicht nach Messkurven oder sonstigen Prüfstandergebnissen sondern nach reinem Gefühl beim Hochschalten der Gänge bis hin zur Endgeschwindigkeit. Und nur so mache ich das auch.
Lassen wir doch einmal die defekte Unterdruckdose, den schlecht eingestellten Vergaser, das Schieberuckeln, Gaszugeinstellungen und sonstiges Nebenaggregatsverhalten außen vor und erfühlen uns an die reine Motorleistung heran. Wenn es hier an Kraft und Leistung fehlt, das merkt man schon. Die Schwachstellen hier: Trochoide nicht mehr 100 %, Seitenteile leichte Riefen, Eigenresonanz aufbauende Exzenterwelle im 2/3 - 3/4 Drehzahlbereich (durch zu hohes Lagerspiel?). So etwas kann man erfühlen und man merkt es auch.
Deutlicher wird es in der Endgeschwindigkeit. Wenn da im 6. Gang wenig Leistung ist, man im 5. Gang nur bis ca. 110 km/h kommt und nach dem Hochschalten nicht mehr viel passiert, eventuell die Geschwindigkeit sogar wieder etwas herunter geht, dann stimmt da etwas nicht.
Aber was ist
denn jetzt normal?
Ok, die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h kann man getrost
vergessen. Das war mal, wenn das überhaupt mal war. Ich glaube nicht, das
ich Ende der 1970er, mit meiner Wankel jemals über140 km/h gefahren bin.
Ich weiß es allerdings auch nicht mehr genau. Ich wollte es bestimmt.
Ich wollte sogar 200. Ich war 18!
Man sollte auch nicht vergessen, das die Leistung nicht nur bei den Motoren nachlässt (wenn auch unwesentlich). Das gesamte Motorrad altert. Lager laufen schwerer, Ritzel und Kette versanden, und seltsamer Weise hat bei den meisten Fahrern zum Alter auch das Gewicht zugenommen. Hätten wir vor 40 Jahren fünf baugleiche W 2000 auf die Bahn geschickt, dann wären das Spitzensportler gewesen, jung und kräftig. Die wären wahrscheinlich alle innerhalb von zwei Sekunden durchs Ziel geschossen.
Wenn wir diese
Mopeds heute diesen Parcours noch einmal fahren lassen, dann schicken wir alte
Kaliber auf die Reise. Auch bei guter Pflege haben die jetzt ihre Gebrechen,
keine ist mehr so flott wie früher. Aus Spitzensportlern sind alte Herren
geworden und die kommen auch nicht mehr zeitnah durch`s Ziel. Der letzte humpelt
womöglich mit dem Rollator über die Linie.
Und darum gibt es (und gab es) auch keine normalen Wankel die 145 km/h laufen.
Bei meinen Motorrädern ist das so:
Eine W 2000,
die ich für gesund und gut befinde, verhält sich wie folgt:
Die Gänge ziehen kraftvoll hoch (unsere 27 PS sind ziemlich stark). Wenn
ich ohne Probleme leistungsstark bis mindestens 120 km/ h höchstens 130
km/h durchziehen kann, dann ist das ok.
Dabei sind
jetzt noch zwei Faktoren wichtig. Zum einen, die Geschwindigkeit muss unter
normalen Bedingungen erreicht werden - aufrecht sitzend.
Zum zweiten: der sechste Gang muss mitspielen. Manche sagen er ist ein echter
Overdrive. Das ist so nicht ganz richtig. Ok, der Motor braucht keine 6 Gänge,
keine Frage. Aber wenn er jetzt schon mal da ist, dann muss er auch was leisten.
Ich kann mit
dem 6. Gang arbeiten und finde das muss auch so sein. Zwischen 80 km/h und 130
km/h sollte der 6. Gang eine bedeutende Rolle spielen. Er muss kraftvoll anpacken
und arbeiten können. Wer das mit seinem Motor erreicht, der sollte sich
zufrieden geben.
Alles über 125 km/h hinaus ist machbar, bedeutet aber Oberkörper auf
den Tank, Kinn aufs Armaturengehäuse, Stiefel nicht auf hintere Fußraste
sondern auf den Gepäckträger und Polizei im Nacken.
Ich habe eine
Wankel die zieht nicht ganz so kraftvoll hoch, damit komme ich im 5. Gang bis
110 km/h. Im 6. Gang hält sie mühsam diese Geschwindigkeit, fällt
bei etwas Wind oder Kurven sogar ab bis 100 km/h. Hier weiß ich aber auch,
dass die Trochoide fehlerhaft ist. Die allgemeine Meinung zu dieser B-Trochoide
ist: "Kann man noch fahren, würde ich noch nehmen." Das sehe
ich eigentlich auch so, man kann ja auch nicht mehr eben schnell tauschen. Aber
Spaß macht so etwas nicht. Erst Recht nicht, wenn man vergleichen kann.
Diese geschilderten Eindrücke vermitteln mir meine Solomaschinen.
Jetzt zu den
Gespannen:
Das abgebildete blaue Gespann fährt immer 105/110 km/h. Der Motor hat Leistung,
ist mit kontaktgesteuerter Elektronikzündung ausgestattet und springt immer
beim 2. Kick an. Auch nachdem ich den Motor öffnen musste, weil das Nadellager
Geräusche machte (es war an einer Stelle gebrochen), änderte sich
anschließend am Verhalten nichts. Ein toller Motor!
Mein zweites Gespann, ein Motor mit Gemischschmierung, kontaktgesteuert und wesentlich leichter als die berühmte Blaue, kommt nur bis leicht über 100 km/h. Obwohl der Motor neu gemacht wurde. Ich denke, dass die elektronische Zündung einen wesentlichen Teil zum Anspringverhalten und zur Motorleistung beiträgt.
Als letzten Vergleich nehme ich meinen Café-Racer.
Hier zeigt
sich deutlich, was fahrwerksmäßig zu machen ist. Das Motorrad ist
mit einer kontaktgesteuerten Zündung und 200 W Generatorleistung ausgestattet.
Hier ist sogar der Motor noch nicht einmal besonders überholt worden. Er
war vor mindestens 7 Jahren einmal offen und ich glaube sogar, dass da eine
Kleinigkeit mit der Trochoide war. (Muss ich nochmal nachlesen). Allerdings
ist hier das Fahrwerk vom Feinsten. Überall neue und bessere Lager, die
besten Federn hinten, sowie vorne in der Gabel. Schwimmende Bremsscheibe, sehr
sportliche Verkleidung, Stummellenker und und und ... Dies alles in Verbindung
mit der Zündanlage macht etwas aus.
Diesen Renner habe ich mal ausgefahren und ich schwöre, es waren 155 km/h.
Es waren sogar 158 km/h, aber das glaubt mir sowieso keiner. Ihr werdet jetzt
sagen: Du kannst dem Tacho nicht trauen, die 155 km/h sind in Wirklichkeit 130
km/h.
IST MIR EGAL! Das ist der Tacho, auf den ich schaue, und das ist mein Maßstab.
Der straßentaugliche rote Wankelrenner von Gerd Hilling!
Fazit:
- Zündungs- und fahrwerksmäßig ist einiges drin und machbar.
- 145 km/h fahren
die Dinger im Originalzustand nun mal nicht.
- Der 6. Gang muss
vernünftig nutzbar sein.
- Wer bis 125 km/h
Leistung hat, sollte zufrieden sein.
Epilog:
Dies sind meine Erfahrungen aus dem Wankel-Alltag heraus. Ich spreche vom
Erhaltungs- und Originalzustand unserer W 2000 fernab von jeglichem Tuning und
professionellem Suchen nach versteckten PS. Ich rede auch nicht vom Zugriff
in noch gefüllte Lager mit Neuware. Dieses sind reine Resultate aus Erfahrungen
mit meinen W 2000 im täglichen Betrieb. Ob das jetzt alles so sein muss,
es vielleicht besser geht oder ich vielleicht manches nicht richtig mache, weiß
ich nicht. Ich weiß nur, dass ich mit meinen Wankel zufrieden und glücklich
bin und sehr viel fahre (allerdings auch sehr viel schraube).
Noch ein paar Worte zum Anspringverhalten. Ich starte zu 100 % mit dem Kickstarter und das immer vom Hauptständer. Ich erwarte, dass die Motorräder zwischen 2 bis 4 Mal Treten anspringen. (wenn nicht: Kerze, Kontakt ...)
Beim Starten
gehe ich wie folgt vor:
Benzinhahn auf, bei längerer Standzeit jetzt etwas warten. Einmal Kickstarter
durchtreten, jetzt Zündung ein, Chokehebel nach oben und antreten. (2-3
Mal muss reichen)
Erst nachdem der Motor läuft am Gasgriff drehen.
©
2015 Gerd Hilling -
Hercules Wankel IG
Letzte Aktualisierung am 13.04.2015