Glemseck 101 - das Café-Racer Rennen
von Ralph Schelle

Alljährlich findet Ende August auf der alten Stuttgarter Rennstrecke "Solitude" das inzwischen legendäre Treffen "Glemseck 101" statt. Besucherzahl 2013: 45.000. Glemseck 101 ist in Europa DIE Veranstaltung aller Cafe Racer, die ihren Ursprung in der britischen Szene der wilden 60erJahren haben, aus der sich auch das Londoner ACE-Cafe entwickelte. Man muss nicht zwingend Träger von schwarzen Lederjacken, Petticoats und Tattoos sein, um das schön zu finden. Da reicht es auch schon, wenn man einfach an umwerfend gelungenen Umbauten Gefallen findet - von denen es im Glemseck-Treff 101 noch viel mehr gibt als im kultigen "Original"-Treff in London. Manche der hier Gassi geführten Motorräder sind schlicht Erotik pur.

Neben der umfangreichen Ausstellung von wirklich abgefahrenen Motorrädern werden bei dieser Veranstaltung auf der alten Start/Ziel-Geraden der dortigen Rennstrecke auch verschiedene Beschleunigungsrennen ausgetragen.

Glemseck 101

Die Phantasie der Erbauer kennt keine Grenzen!

Glemseck 101

Yamaha SR 500 mit Porsche 911-Zylinderkopf

Wer teilnehmen will, muss ein Moped mitbringen, das straßenzugelassen sowie luftgekühlt ist und nicht mehr als 1000 cm³ Hubraum hat. Es sollte nicht von der Stange kommen und untrügliche Merkmale von Café-Racern aufweisen. Wer das alles vorweisen kann, gelangt aber noch lange nicht automatisch in den erlauchten Kreis der Teilnehmer. Das Moped muss auch dem Veranstalter gefallen. Er allein entscheidet, welche 32 Motorräder antreten dürfen.

Glemseck 101

Selbst aus einer Güllepumpe lässt sich was machen!

Glemseck 101

Café Racer mit grätigen Motor-Innereien

Also Sprintrennen, 1/8 Meile, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, Mann gegen Frau. Auf wilden Motorrädern mit aus Kreide-Wasser-Gemisch geschriebenen Startnummern - wie damals, als man solche (stets illegalen) Rennen vom Londoner Ace Café zum nächsten Kreisverkehr und zurück austrug. Die Regeln sind damals wie heute einfach: Wer zuerst die Ziellinie überquert, ist eine Runde weiter.

Glemseck 101

Heute im Starterfeld: Eine Hercules Wankel - die, wieder Mal, unter den 32 Mitstreitern die mit Abstand leistungsschwächste Maschine ist. Einen Vorteil hat die Wankel dennoch. Das Leben eines reinrassigen Café Racers besteht mehrheitlich daraus, mit Chrom/Lack-Polish eingerieben und vor angesagten Treffpunkten sichtintensiv geparkt zu werden. Fahren ist meist Nebensache. Die gemeldete Wankel hingegen wird nahezu täglich gefahren - Fahrer und Motorrad sind in Sprints also geübt.

Die ersten Probesprints (ohne Wertung) reduzieren Zuversichtsäußerungen: Trotz besserer Starts wird die Wankel bereits nach wenigen Metern eingeholt.

Dann wird es ernst. Erste Runde, erste Wertung. Ich muss, au weia, gegen eine rennmäßig aufgerüstete Ducati 350 Mark 3 - angeblich 125 kg, fast 40 (italienische?) PS - antreten. Wenn ich die nicht schaffe, bin ich gleich draußen!

Glemseck 101

Es gilt, gegen diese Duc anzutreten!

So. Jetzt wird es ernst!

Das auf einem Strohballen stehende Fahnengirl hebt die schwarz/weiß-karierte Flagge, und in dem Moment, in welchem die Fahne zwar noch oben ist, aber das Girl schon daran denkt, sie zu schwenken, rauche ich los. 6.000 UPM sollten mindestens anstehen, bei 7.000 schalte ich, höre irgendwas jaulen, was nicht nach Wankel klingt, schaue mich um und hah! - die Ducati liegt etliche Meter hinter mir! Richtung Ducati-Fahrer mache ich noch eine schwenkende "komm-doch" - Armbewegung, doch ich bin schon uneinholbar an der Ziellinie. YES! Die erste Runde ist geschafft - wenn auch mit Unterstützung eines groben Verschalters des Ducati-Piloten.

Nach der ersten Runde sind es also "nur" noch 16 Motorräder. Ich trete zum Sprint gegen eine SR 500 an - bzw. das, was von einer SR übrig bleibt, wenn man diese ordentlich umbaut. Eine Yoshimura-Nockenwelle und ein 598 cm³-Zylinder verleihen diesem ehrwürdigen Yamaha-Motor zarte 48 PS!

Also, bewährtes Rezept: Bereits losfahren, wenn die Fahne kurz vor dem Abschwenken ist. Dumm nur, dass der SR-Pilot dieses Rezept auch kocht. Doch es hilft ihm nichts. Ich liege auf den ersten Metern eindeutig vorne. Die Freude währt jedoch nur kurz. Dann schiebt er doch vorbei. Ich schalte ohne Kupplung, liege mit dem Kinn auf dem Tankdeckel, aber aller Einsatz nützt nichts: Diese SR zieht von dannen.

Erkenntnis: Für Sprintrennen müsste die Wankel aufgerüstet werden. Zur Wahl stehen Nitro-Einspritzung, Lader, Kompressor oder der Einbau eines in einem KC 27 versteckten, halbierten RX8-Motors (da ich IG-Mitglieder kenne, die einen RX 8 ihr Eigen nennen und selbigen nur hinter lässig verschlossenen Holzgaragentoren parken, nimmt das "½-RX-8-Motor-im-KC-27-Gehäuse" fast schon konkrete Formen an ...).

Trotz schlechter Platzierung ist dennoch Trost zu vermelden. Erstens, weil ich die Wankel wenigstens in die zweite Auswahlrunde brachte. Der zweite Trost ist, dass ich nicht direkt gegen meine eigene Freundin, welche im gleichen Sprintrennen mit ihrer Honda Clubman gemeldet war, antreten musste. Wäre es so gekommen und ich hätte gegen sie gewonnen, so wäre es nach dem Rennen wohl zu einem Mitarbeitergespräch gekommen ...

© 2013 Ralph Schelle - Hercules Wankel IG

Letzte Aktualisierung am 03.01.2014  

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Glemseck Stammtisch (Hinweis von Reiner Nikulski):
Seit einiger Zeit treffen Ralph und ich uns unregelmäßig, aber immer wieder Mal am berühmten Glemseck der ehemaligen Solitude Rennstrecke. Einfach nur so zum Stammtischen und Benzin quatschen. Das Glemseck ist ein weit bekannter Motorradtreffpunkt und man kann dort neben der alltäglichen und besonderen Zweiradpalette auch oftmals das Eigenbau-Kleinod von so manchem schwäbischen Tüftler bewundern. Seit kurzem hat sich auch der Martin dazu gesellt. Wer auch Lust hat, melde sich ganz einfach kurz und formlos:
reiner.nikulski_at_web.de oder Tel. 07171 181023
ralph.schelle_at_ier.uni-stuttgart.de oder Tel. 0711 2261789

Glemseck Stammtisch

Spätherbst am Glemseck. Wankeldichte 50% ...

Glemseck Stammtisch

Glemseck Stammtisch

... die später, wenn sich der Nebel über die Wiesen senkt, auf 100% steigt.