Van Veen OCR 1000 - es dreht sich wieder was!
von Gerd Hilling

Anfang November 2011 hatte ich ein Gespräch mit einem alten Bekannten aus Holland, Herrn Ger van Rootselaar. Er besitzt seit vielen Jahren den kompletten Nachlass der Produktion des legendären Wankelmotorrads VAN VEEN OCR 1000. Einen richtigen Schatz, der wenigstens komplett erhalten wurde und somit bei Ger gut aufgehoben war. Ich hatte dieses Lager letztes Mal vor ca. zehn Jahren besichtigen und begehen dürfen. Man sah zwar viel, erkannte aber recht wenig. Alle Teile waren halt nur abgelagert und größtenteils noch original verpackt. Schon damals sprach Ger davon, den gesamten Nachlass verkaufen zu wollen.

Dies geschah dann auch im Jahr 2008, als Herr Andries Wielinga alles übernahm und sich der Aufgabe stellte, wieder VAN VEEN-Motorräder auf die Räder zu stellen. In dem Telefongespräch bat ich Ger van Rootselaar um ein Treffen mit Andries Wielinga. Dieses Treffen wurde für den 14.11.2011 vereinbart.

Am Abend vorher wurde das Wankel-Gespann noch einmal richtig durchgecheckt und aufgetankt. Am nächsten Vormittag machte ich mich auf die Reise in den Norden Hollands. Es war so kalt und nebelig, dass ich schon nach 20 km aufgeben wollte, aber kneifen gilt nicht und außerdem war das Ziel so interessant für mich, dass ich einfach weiter musste. Nach einer gewissen Zeit merkt man den Schmerz auch gar nicht mehr und gute zweieinhalb Stunden später war das Ziel auch schon erreicht. Am Zielort fiel mir sofort der Firmenwagen auf, auf welchem doch tatsächlich eine VAN VEEN mit großen OCR Buchstaben sowie das Bogendreieck mit den drei Pfeilen abgebildet war.

Van Veen OCR 1000 Nachfertigung
So etwas sieht man doch wirklich sonst nicht mehr!

Ein sehr freundlicher Andries Wielinga hieß mich herzlich willkommen und war auch sehr davon angetan, dass ich mit dem Wankel-Gespann angereist war.

Sein Betrieb ist im eigentlichen Sinne eine Tankstelle mit Werkstatt, deren Schwerpunkt im Restaurieren und Erhalten des Citroen DS (Göttin) liegt. Ca. 10 dieser Fahrzeuge befanden sich im Außen- und Innenbereich - teils im neuwertigem Zustand.

Bei wärmendem Kaffee lernten wir uns etwas kennen und Andries schilderte mir, wie er 2008 dazu kam, sich den Restbeständen der VAN VEEN anzunehmen. Ist ja auch ein mutiges Unterfangen! Sogar Henk van Veen war schon persönlich bei ihm, um ihn in seinem Vorhaben zu unterstützen und zu ermutigen. Zusammen mit seiner Hilfe und altem Doku-Material soll es bald auch eine belegte lückenlose Historie sämtlicher Besitzer und Vorbesitzer aller VAN VEEN geben.

Nach dem Kaffee führte mich Andries in seine VAN VEEN-Werkstatt, die sich in einem gesonderten Raum über der eigentlichen Werkstatt befindet.
Es ist ein bisschen so, als würde man einen heiligen Raum betreten. Motorradmäßig gesehen ist es ja auch ein Teil Geschichte, die man hier sieht und spürt. Alle noch vorhandenen Teile sind hier akribisch genau beschriftet, sorgfältig gelagert und nummeriert. Sämtliche Teile befinden sich in geordneten, gleichen Kisten unterschiedlicher Größe. Allein das Sortieren und Einrichten des Lagers hat über ein Jahr in Anspruch genommen.

Jetzt ist alles greifbar und gut zugänglich. So lässt es sich arbeiten! Man sieht, dass das Einrichten des Lagers und der Werkstatt (sogar spezielle Halterungen zur Motormontage wurden hergestellt) viel Zeit und Geld gekostet hat. Viele Teile mussten neu gefertigt werden. Allein das Beziehen der Sitzbank dauerte mehrere Anläufe, wobei das Anbringen der "Nähte" - die ja keine sind - das größte Problem darstellte.

Vom richtigen Material gar nicht erst zu reden, denn die Sitzbänke gab es auch mit einer Art Wildlederimitat bezogen. Und das in zwei verschiedenen Farben. Auch waren nicht mehr genug Rahmen vorhanden, so dass niemand anderes als Nico Bakker nach originaler Vorlage 10 Stück nachbaute.

Van Veen OCR 1000 Nachfertigung
Van Veen OCR 1000 - nachproduziert

Die (noch umstrittene) Zahl von 38 gebauten Motorrädern in den 1970er-Jahren wurde mit den Jahren ergänzt durch einen angefangenen Aufbau von Jaap Tilman aus Amsterdam sowie zwei kompletten Motorrädern, gebaut von Ger van Rootselaar: Nr.39 und 40. Das Motorrad von Jaap Tijman sowie die Nr. 39 von van Rootselaar wurden wieder demontiert und befinden sich im Teilelager. Die letzte bekannte Maschine, die Nr. 40, befindet sich in unbekanntem Besitz.

Mit der neuen Seriennummer 003-041 startet die Produktion der VAN VEEN OCR 1000 aus der Hand von Andries Wielinga. Dieses erste Motorrad befindet sich in seinem Besitz und steht seit einiger Zeit für Testfahrten, Repräsentation auf Ausstellungen und Fototermine zur Verfügung.

Ein weiteres Motorrad wurde schon fertiggestellt (Nr. 003-042) und von Andries persönlich an einem Kunden in Düsseldorf ausgeliefert.
Motorrad Nr. 003-043 befindet sich im Aufbau.

Van Veen OCR 1000 Nachfertigung

Blick in die Edelschmiede

Van Veen OCR 1000 Nachfertigung
Nachgefertigter Rahmen

Da Andries W. diese Arbeit nicht komplett alleine erledigt, teilen sich die Aufgaben wie folgt auf:

Für Öffentlichkeitsarbeit, Präsentation und Vermarktung ist Hr. Dirk Knip verantwortlich.
Die Überholung der Motoren befindet sich weiterhin in der Hand von van Rootselaar. Jeder Motor wird neu gelagert, alle Buchsen, Dichtungen etc. werden durch neues Material ersetzt.

Auf einem speziellen Prüfstand können diese Motoren probelaufen. Allein diese Arbeit schlägt mit mind. 4000 EUR zu Buche.
Der eigentliche Aufbau ist alleinige Angelegenheit von Andries Wielinga. Er ist jetzt dadurch aber auch in der Lage, innerhalb von 4 Wochen ein Motorrad fertig zu stellen. Die fertigen Motorräder verlassen die Werkstatt dann per Flaschenzug in die untere Etage. Die technische Hürde durch TÜV und Zulassung ist auch genommen und soll kein Problem darstellen.

Abgesehen von den neuen Motorrädern wurde auch schon eines der älteren Modelle aus Süddeutschland von Andries W. komplett restauriert. Auch befindet sich die legendäre pechschwarze VAN VEEN von Omar Sharif in Einzelteilen zerlegt in der Werkstatt von Andries. Ein deutscher Kunde hat dieses Motorrad gekauft und lässt sie durch Andries restaurieren. Sie soll wieder so werden, wie sie immer war, also pechschwarz. Die neuen VAN VEEN sind im übrigen noch nicht alle verkauft. Es gibt noch welche - zu einem Preis von 85.000 EUR zzgl. Mwst., also über 100.000 EUR das Stück.

Auch hier gilt: Es war schon immer etwas teurer einen besonderen Geschmack zu haben!
Oder wie ich immer zu unseren Motorrädern sage: "Kein Jedermansartikel, der Feuerstuhl für Individualisten!"
Nach ca drei Stunden wurde es für mich Zeit, wieder an die Heimfahrt zu denken. Ich wusste es würde sehr kalt werden. Gegen 20 Uhr kam ich "erfroren" aber wohlbehalten zu Hause an. Dem Gespann hat die Reise gutgetan, es hat brav mitgemacht und brachte mich sicher hin und zurück.

FAZIT:
Ich liebe meine Motorräder und meine Leidenschaft zur Wankelei auf bodenständigem Niveau.
Es ist aber dennoch ein schönes Gefühl, einmal in Küchen reinzuschnuppern, wo mit Kaviar, Trüffel und Kobe-Steak gearbeitet wird.
Ihr seht also, es dreht sich immer was!

© 2012 Gerd Hilling - Hercules Wankel IG - letzte Aktualisierung am 17.01.2012  

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