Too old to die young
von Ralph Schelle

Irgendwann Ende der 1990er-Jahre hatte sich das IG-Team des Messestands Ulm Gedanken gemacht, auf welche Weise man junge Leute an das Thema "Wankelmotorrad" heranführen kann. In der Folge sollte denn auch die Aufmachung des IG-Standes und die gesamte Öffentlichkeitspräsentation angepasst werden.

Daraus wurde aber nichts - was (hoffentlich) nicht an der Faulheit oder an der fehlenden Kreativität der IG-Nachdenker liegt, sondern an etwas ganz anderem: Auf dem gesamten Motorradsektor gibt es so etwas wie einen Umbruch. Was bedeutet: Das Problem ist nicht so sehr, dass wir von der IG uns in einer für jugendliche Menschen ungeeigneten Weise präsentieren, das Problem ist vielmehr, dass sich junge Menschen einfach grundsätzlich anderen Dingen zuwenden. Ich selbst habe ein wenig gebraucht, um das zu begreifen.

Geholfen hat mir dabei die Aufforderung meiner Mutter, doch mal deren Veranstaltungen des schlesischen Heimatvereins zu besuchen. Ich hielt diesen Vorschlag für reichlich abwegig. Dass meine Mutter, die zu Kriegsende aus Schlesien vertrieben wurde, die Veranstaltungen eines solchen (politisch mitunter kruden) Heimatvereins regelmäßig besucht, ist unschwer nachzuvollziehen. Aber ich selbst, der ich hier in Stuttgart geboren und aufgewachsen bin, habe mit Schlesien nicht mehr zu tun als dass ich dessen kulinarische Leckereien und deren Dialektik schätze. Und so kam es, das ich letztlich nicht ein einziges Mal zu den mir empfohlenen Veranstaltungen ging.

Dieser Vorgang verläuft parallel zu den Nachwuchssorgen unserer IG. Denn so, wie ich nie zu diesen Schlesiertreffen ging, so geht auch kein junger Mensch zum Thema Motorräder. Schlesien ist nicht meine Heimat, und das Motorrad ist nicht die Heimat junger Menschen. Vielmehr erscheinen ihnen diese seltsamen Feuerstühle wie ein archaisches Überbleibsel aus Zeiten, in denen Feuer und Donner dominierten. Mehr als suspekt sind auch die offensichtlichen Nachteile dieser Fahrzeuge: An Motorrädern, alten dazu, macht man sich schmutzig, man wird furchtbar nass, friert und schwitzt entsetzlich und das Ganze ist auch noch schrecklich gefährlich. Und emissionsstark. Und obendrein auch noch teuer!

Rein funktional betrachtet, gibt es außer der besseren Parkplatzsituation keinen einleuchtenden Grund, so ein Ding zu besitzen. Nicht einmal auf Mädels macht ein Feuerstuhl noch Eindruck. Und wenn es trotzdem einen mal rennmäßig jucken sollte, der lädt sich eben was Geeignetes auf seine Playstation oder auf sein Wii.

Das Thema Motorrad ist also schlicht kaum mehr vermittelbar. Unsere Erzählungen über Kurvenräubern, kalte Waldluft, von heißerem Auspuffgebrabbel und steigenden Vorderrädern mögen in etwa so suspekt klingen, als würden unsere Väter und Großväter vom Krieg erzählen.

Copyright Rosanna Pradella

Jetzt zu lamentieren, ach Gott, die Jugend, was die alles verpassen, der erste Sex virtuell, Rennen digital, Kumpels nur im Chat, und immer die allerneueste Technik besitzen zu müssen, das hilft jetzt bei der Problemlösung nicht weiter und ist auch nicht ganz gerecht. Denn jede Generation schafft sich ihre eigenen Dinger, und das ist auch in Ordnung so. Wie auch immer, de facto werden wir die Nachwuchssituation in der IG wohl nicht wesentlich verändern können. Das ist auch der Grund, warum unser Ulmer Messestand letztlich nicht verändert wurde!

Da die meisten von uns es verpasst haben, jung zu sterben, müssen wir jetzt eben alt sterben. Das ist so schlimm nicht, denn in diesen verbleibenden Jahren bleibt genug Zeit, unsere Wankels einem bestimmungsgemäßen Gebrauch zuzuführen. Und die IG-Aktivitäten zu befeuern, die da lauten: Treffen, Schreiben, Schrauben, Konstruieren. Handel. Nachfertigung. Rennen. Sich freuen!

Damit die IG auch in Zukunft Bestand hat, ist es von Vorteil, ein paar ganz einfache Empfehlungen zu beherzigen:

Die erste lautet: Keine griesgrämigen Bemerkungen oder Bemerkungen, die als solche verstanden werden könnten, von sich geben. Denn alte Männer können verletzlich sein und ziehen dann auch schon mal kommentarlos von dannen. Daher immer schön die Nettiquette hochhalten.

Regel zwei: Nicht wesentlich mehr Ersatzteile bunkern, als man mutmaßlich selbst noch verbraucht. Das Abgeben von Teilen ist Sinn der IG und obendrein Teil eines sozialen Netwerks.

Regel drei: Nicht zulassen, dass immer die Vernunft regiert. Sprich: Sich einfach auf die Wankel setzen und losfahren. So einfach kann das Leben sein.

Wenn wir das beherzigen, wird es noch eine lange, spaßige Zeit geben mit uns Rotierern. Versprochen!

© 2011 - Ralph Schelle - Hercules Wankel IG - letzte Aktualisierung am 02.05.2011
© 2011 - Rosanna Pradella (Zeichnung)
 

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