25 Jahre ROC Rotary Owners Club Rally
Groß-Britannien vom 4. bis 6. Mai 2007

von Wolfgang Dingeldein

Am ersten Wochenende im Mai fand das Treffen des ROC GB in Margaretting (das ist eine Kleinstadt in der Nähe von Chelmsford/Essex - Südengland) statt. David Cameron hatte für den ROC alle Wankelenthusiasten aus dem In- und Ausland eingeladen: ROC Einladung Word 

Zwischen 30 und 40 Wankelmotorräder waren zum Treffen angereist. Unsere Hercules Wankel IG war mit 7 Leuten dort vertreten: Heiner Brinkmann und sein Sohn Axel, Matthias, Martin Rühe, Clemens und Katrin und der Verfasser dieses Berichts.

1. Tankstopp

Hätten wir schon anno 1977 solch ein Gepäckraum-Volumen gehabt!

Heiner, Matthias und ich hatten die zeitgleiche Fährverbindung von Calais nach Dover gebucht, wobei wir uns im Fährhafen von Calais am Freitagnachmittag treffen wollten. Für mich sollte es in mehrfacher Hinsicht eine Premiere werden: Meine weiteste Tour mit einer W 2000 seit 1978, der erste Besuch in Groß-Britannien überhaupt, usw.

Ich startete meine Wankel morgens gegen 9:15 Uhr im Heimatdorf (in the middle of nowhere). Das Brabbeln des Motors klang gesund, noch ein kurzer Blick auf Öldruck-Warnanzeige und Voltmeter - alles im grünen Bereich, es konnte los gehen! Vor mir lagen rund 520 km bis Calais, das Wetter war ideal zum Fahren und die mit schweren BMW Koffern, Topcase und Tankrucksack tiefergelegte Maschine zog mich so kraftvoll wie es mit nur 18 KW möglich ist, Richtung Autobahn. Von Gummersbach ging es über die BAB A4 am Kölner Ring vorbei in Richtung Belgien. In Aachen wurde gegen 11 Uhr der erste Tankstopp eingelegt. Trotz der hohen Beladung, etwas Gegenwind und den wenig aerodynamischen Koffern lag der Verbrauch exakt bei 6 Litern. Allerdings fuhr ich auf der Autobahn meistens nicht über 110 km/h.

Die Fahrt führte mich weiter an Brüssel vorbei in Richtung Gent. Dort legte ich den zweiten Tankstopp ein. In Richtung Küste an Brügge vorbei kam immer mehr Gegenwind auf. Teilweise bliesen mir Windböen auch mit Mordstempo von der Seite ins Vorderrad! Die W 2000 ist mit Gepäck besonders seitenwindempfindlich, da das Vorderrad nur wenig belastet ist. Die ganze Fuhre schaukelt sich dann gerne auf, ja es zieht einem fast den Boden unter den Rädern weg! Kurioserweise ist das ab ca. 110 km/h nicht so schlimm wie bei Tempo 80! Aber man muss ja bei Gegenwind erst einmal die 110er Marke überschreiten ...

Trotzdem traf ich wohlbehalten kurz vor 15 Uhr in Calais ein, tankte den Bock wieder voll, füllte etwas Rotella nach und wartete in einem Café auf die anderen.

Heiner und Matthias konnten wegen terminlicher Vorbedingungen erst nach 12 Uhr in Ratingen starten. Heiner ließ also aus seiner mit Vater und Sohn besetzten W 2000 alles heraus, was der kleine Motor hergab! Angehalten wurde nur zum Tanken. Und Tankstopps brauchte man reichlich, denn die Van Veen von Matthias hat leider nur einen relativ kleinen Tank, wobei der OCR-Zweischeiber auch über mangelnden Durst selbst bei moderatem Tempo nicht klagen kann. Wir trafen uns dann wie vereinbart gegen 17:30 Uhr am Anleger.

Danach stieß noch Martin Rühe mit seiner W 2000 zu uns: Er hatte zufällig für die gleiche Fähre eingecheckt - zum Entsetzen eines britischen Zollbeamten, der subjektiv der Meinung war, dass exakt die gleiche Person auf dem gleichen Motorrad innerhalb einer Viertelstunde seine Kontrollstelle zum zweiten Mal passiert hatte. Vermutlich hatte er zuvor noch nie eine W 2000 gesehen und jetzt kamen gleich drei in kurzen Abständen hintereinander bei ihm durch!

Am Fährhafen

Van Veen OCR und drei W 2000 warten auf die Fähre!

Die Fähre hatte rund eine halbe Stunde Verspätung und so konnten wir in Dover auch erst in der Abenddämmerung wieder starten. Ein Glück, dass Heiner viele England-Erfahrungen hat, mit dem Linksverkehr bestens vertraut ist und die Strecke nach Margaretting ohne Karte findet!

Für mich war dieser Linksverkehr in den ersten Stunden der wahre Greuel! Schon in Dover hupte es von allen Seiten, als wir etwas zu optimistisch in einen Kreisverkehr eingebogen waren und andere sich behindert fühlten. Heiner ließ seine W 2000 auch hier auf der Autobahn M20 Richtung London wieder mächtig gehen und ich hatte alle Mühe, an ihm dranzubleiben. Wegen der längeren Vollgasfahrt muckte meine W 2000 auch mehrmals kurz hintereinander (Überhitzungs-Aussetzer), so dass ich befürchtete, die Maschine würde spätestens hinter der nächsten Kurve ein paar Dichtleisten ausspucken ... Wer weiß, welch schlappen Sprit man mir in Calais verkauft hatte!

Naja, jedenfalls war ich heilfroh, dass wir nach ca. 140 km gegen 10 Uhr abends wohlbehalten am Festgelände eintrafen. Wir wurden von den Anwesenden freudig begrüßt und machten uns dann hungrig über die für uns zurückbehaltenen Reste des Abendessens her. Der Abend fand seinen Ausklang feucht-fröhlich bei britischem Bier. Da der ROC für das Treffen ein Bürgerhaus gemietet hatte, konnten wir in den Räumen kostenlos mit unseren Schlafsäcken übernachten.

Auf der Fähre

Van Veen OCR und W 2000 einträchtig auf der Fähre nebeneinander!

Am Samstagmorgen trafen noch etliche weitere Wankelfahrer ein. Aus Deutschland waren neben Katrin und Clemens aus Lübeck noch zwei weitere Norton-Wankelfahrer aus Schleswig-Holstein gekommen. Clemens hatte seine frisch aufgebaute Sport-W-2000 dabei, welche beim Publikum sehr gut ankam!

Gegen Mittag starteten wir mit einer kleinen Gruppe zur Ausfahrt und besichtigten dabei den ehemaligen Atomschutzbunker der britischen Regierung. Auch einen historischen Dampf-Schnellzug aus den 1940er-Jahren konnten wir in voller Fahrt vorbei schnaufen sehen.

Foto Shooting

Der liegende Mann macht Foto-Shooting für Classic Bike GB!

Nachmittags war ein Reporter der britischen Classic Bike Zeitschrift auf dem Gelände und hat je fünf Maschinen (je Norton und W 2000) fotografiert und ihre Fahrer interviewt. Mit etwas Glück kommt ein längerer Bericht in einer der nächsten Ausgaben!

Für den Abend hatte der ROC ein Barbecue vorgesehen - jeder konnte so viele Würstchen und Burger vom Grill vertilgen wie er wollte! Danach gab es als Höhepunkt des Abends die Preisverleihung.

Der erste Preis für das schönste Fahrzeug ging an Matthias für seine traumhafte Van Veen. Den Preis für die weiteste Anreise erhielt Martin Rühe. Er war innerhalb von zwei Tagen mit seiner W 2000 von Schorndorf mit Zwischenstopp in Köln zum Treffen angereist. Die zweitweiteste Anreise wurde ebenfalls Matthias zuerkannt. Er war zwar im Raum Köln gestartet, aber seine Van Veen ist im Rhein-Lahnkreis angemeldet und das ist dann ein paar km mehr als meine Strecke betrug. Der vierte Preis ging an den Fahrer mit der weitesten Anreise aus dem Inland.

Zu den Preisen (Riesenflasche Rotwein) gab es noch je einen wunderschönen Wanderpokal, der allerdings bis zum nächsten Treffen zurück gegeben werden muss.

Wanderpokale

Die Wanderpokale stehen bereit!

Am Sonntagmorgen wurden die Maschinen nach dem Frühstück wieder angelassen. Die meisten Fahrer führte es in Richtung Heimat. So starteten auch Heiner und Matthias gegen 9 Uhr wieder zurück nach Dover, wobei unterwegs noch ein kleiner Defekt auftrat (verschmutztes Kraftstoff-Filter an der Van Veen). So konnten sie die Insel erst mit einer späteren Fähre verlassen als geplant.

Ich selbst hatte meine Fähre erst für Montagmittag gebucht, da ich bei David Camerons Bruder Andrew eingeladen war. W 2000 Fahrer Andrew lebt mit seiner Frau Susan und den vier Kindern in einem schönen Haus in einer Kleinstadt südlich von London. Ich machte einen Abstecher über idyllische Landstraßen, wobei es mir am Tag 3 endlich gelang, den Linksverkehr einigermaßen verantwortbar in den Griff zu bekommen. So traf ich nachmittags bei den sechs Camerons ein, die schon auf mich warteten.

W 2000 in England

Bei Andrew zu Besuch!

Bis in die späte Nacht hinein gab es sehr viel zu erzählen - nicht nur über Wankelmotorräder! Am Montagmorgen (der zufällig in England ein Feiertag "Bank Holiday" war), startete ich bei leichtem Regen in Richtung Heimat. Regen! So etwas hatte es bei uns und dort seit mehr als vier Wochen nicht gegeben! Die Straßen waren etwas glitschig (Blütenstaub) und der Wind setzte mir auch Mal wieder kräftig zu! An der Küste tobte zeitweise ein richtiger Sturm. Die große Autofähre hob sich unbeirrt über die etliche Meter hohen Wellen, aber einige schwere Brecher trafen so heftig auf, dass es richtig zerbrechlich im Passagierraum schepperte. Vielen Mitreisenden konnte man ansehen, dass es ihnen garnicht mehr gut ging. Gut, dass zumindest die Motorräder mit Gurten gesichert waren!

Gegen 15 Uhr war ich dann wieder in Calais angekommen, das Thermometer zeigte nur noch 10 Grad und ich fuhr vorsichtig in Richtung Autobahn. Der Wind war so stark, dass ein Beibehalten der Fahrspur sehr schwierig wurde. Immer wieder driftete die Hercules zur Seite ab und ich musste alle Konzentration zum Gegenlenken einsetzen. LKW und Busse überholte ich nur ganz vorsichtig dann, wenn die Windböen mal eben nicht so kräftig waren.

Die zeitintensive Tankerei in Belgien und Frankreich ist fast immer auch etwas Nerven aufreibend. Das Tankstellennetz ist vielerorts recht dünn und wenn man eine findet, dann ist sie garantiert als vollautomatisierte Station nur mit speziellen Tankkarten anzapfbar. Mastercards jucken die belgischen Automaten einen Dreck! Zwar sind die Stationen an den Autobahnen auch mit Kassenpersonal besetzt, aber einmal wurde ich über das Tankstellen-Hinweisschild in eine Autobahnausfahrt geleitet. Nach dem Wiedereinfahren in die Autobahn nahm ich dann nach 100 Metern die nächste als Tankstelle ausgeschilderte Abfahrt und landete nicht an der Tanke sondern auf einer anderen Autobahn! Gut, dass der frittenfutternde Kerl, der diese Beschilderung aufgestellt hat, mir vermutlich nie über den Weg laufen wird! Nach diesem Schilder-Erlebnis trug ein Stau auf dem Brüsseler Ring nicht gerade zur Besserung meiner Stimmung bei!

21:00 Uhr: Je näher ich der deutschen Grenze kam, umso heftiger wurden Windböen und Regen! Ab Aachen goss es pausenlos in Strömen, außerdem wurde es allmählich dunkel! Die Sicht durch das Helmvisier war stark eingeschränkt. Die Autobahn A 4 befindet sich nahe der Grenze in einem desolaten Zustand: Fahrbahnwellen und Spurrillen halten dort jeden Zweiradfahrer gnadenlos im Dauerstress. Dazu drängeln alle Besitzer von Karossen mit Scheibenwischern einen dann auch noch von der Bahn! Vor manchem rabiaten LKW- und Sprinter-Zeitgenossen hilft da nur noch die Flucht nach vorn! Mit nur 25 PS und rund 320 KG Bordgewicht eine wahre Katastrophe!

22:00 Uhr: Nach einer schier endlosen Wasserschlacht-Phase hatte ich den Kölner Ring erreicht und bog im Kreuz Köln-Ost in die A 4 Richtung Olpe ein. Dort gab es in Fahrbahnmitte über den gesamten Kurvenverlauf einen mit Gussasphalt reparierten, ca. 60 cm breiten Streifen, der glatt war wie Seife. Im Dunkeln hatte ich den zu spät wahrgenommen, die Maschine zog einen bösartigen Schlenker. Gerade noch gut gegangen! "Ne schööne Jrooß vunn all dene, die verannwortlich sinn: Straßenplaner, Verkehrsbehörden und Straßenbaulastträger!" Leider kriegt man die nicht dran!

22.30 Uhr - Letzter Tankstopp in Overath: Es geht noch ca. 30 km weiter zur Autobahnabfahrt im Bergischen Land, der Wind bläst und tobt mit wahrer Urgewalt von allen Seiten. Die Fahrbahn liegt voller kleiner Äste und Blätter, dazwischen hüpfen fröhlich die Frösche! Gut, dass ich wenigstens die Strecke kenne. Von der Autobahn sind es noch gut 50 km bis zu mir nach Hause, der Weg dorthin wird immer länger, da ich nur sehr langsam fahren konnte. Um 23.45 Uhr liefen dann Hercules und Fahrer nach 1800 km durchnässt, schmutzig aber wohlbehalten in der heimischen Garage ein! Ich kenne bisher kein Wankeltreffen ohne Vollregen, daher hatte ich auch diesmal nichts anderes erwartet.

Warum tut man sich als beinahe 50-jähriger mit einem fast 33 Jahre alten, für den heutigen Autobahn-Verkehr untermotorisierten Motorrad so einen Stress an? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, was einen zu dieser Spinnerei treibt, mal abgesehen vom lapidaren Spruch "je oller, desto doller". Auf die hohen Unfall-Risiken würde ich gerne verzichten - aber Schwamm drüber! Geblieben sind aber die Erinnerungen an einen wunderschönen gemeinsamen Ausflug mit vielen vollkommen neuen Eindrücken und sehr netten und wichtigen neuen Bekanntschaften!

Wir kommen wieder zu unseren Freunden auf die Insel, ganz bestimmt!

Wolfgang Dingeldein

© 2007 Fotos: Heiner Brinkmann und Wolfgang Dingeldein
© 2007 Wolfgang Dingeldein - Hercules Wankel IG - letzte Aktualisierung am 09.05.2007

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