Castrol TQ D

ATF - ein Wundersaft?"

... oder wie ich dem Getriebe Manieren beibrachte ...

Es geschah im Sommer letzten Jahres, kurz vor dem Wankel-Treffen in Adenau: Die ewig störrische Schaltung meines W2000-Exemplars ging mir langsam auf den Nerv. Es war eine Gemisch von Problemen: Obenrum rutschende Sinter-Kupplung, unten herum trennte sie nicht richtig wegen des sich unter Last längenden Kupplungszuges und einem unfindbaren Leerlauf. Zusammen mit der insgesamt hakeligen Schaltung schrieen diese Probleme förmlich nach einer Lösung. Als das Getriebe dann noch undicht wurde, brannte mir fast die Sicherung durch. "Jetzt wird alles perfekt repariert, endgültig und richtig, es reicht!" Gute Vorsätze!

In meiner Eigenschaft als Otto Normalschrauber traute ich mich nicht so richtig an das Getriebe heran. Angst vor Fehlern, Unkenntnis vom Ausdistanzieren und Kupplungseinstellen ließ mich wieder einmal zu AKM nach Troisdorf fahren. Randbemerkung: Das waren hingebungsvolle Schrauber, auch für Oldtimer. AKM gibt es wegen Insolvenz nun leider nicht mehr, schade.

Maßnahme 1:
Das Getriebe wurde neu gelagert, abgedichtet und eine nagelneue Kork-Kupplung eingebaut und richtig eingestellt. Danke für die Dichtungen (Heinz Ruppert) und die Kupplung (Clemens Bubner). Dank auch an Achim und Martin von AKM für die immer wieder gute Arbeit.

Maßnahme 2:
Es wurde ein knochenharter Kupplungszug - ich glaube meiner ist von Yamaha - verwendet, der garantiert keinen Weg verschenkt.

Maßnahme 3:
Ein anderes Getriebeöl, welches das Getriebe leichter schaltbar macht, weil es so dünn ist: ATF

Recherchen und Befragungen ergaben bei 10 Leuten ca. 11 verschiedene Meinungen. Diese reichten von ´Auf keinen Fall, lass es!´ bis ´Ohne Probleme einsetzbar, alles super!´ Na Klasse! Weitere Fortbildung erfolgte per Internet.

Nun ja, der Mensch soll sich stets weiterbilden. Also erfuhr ich von Reibwerterhöhern für die Bremsbänder eines Automatikgetriebes, Scherfestigkeit der Additiv-Moleküle und Viskositäten. Die böhmischen Dörfer blieben dieselben, aber es entstand langsam ein Gefühl dafür, welches Produkt es sein sollte. Nun endlich liegt echte Erfahrung vor, das Kaffeesatz-Lesen hat ein Ende.

Katze aus dem Sack:
Die Wahl fiel auf Castrol TQ-D nach Dexron II D Spezifikation. Das ATF gibt's überall im Autozubehörhandel für ca. 9 Euro pro Liter. Es ist hellrot, wie verdünnter Kirschsaft.

Diese Spezifikation umfasst die notwendigen Reibwerterhöher in offensichtlich ausreichender Menge um die W 2000 Kupplung zu versorgen, egal ob Sinter oder Kork. Die Schmierfähigkeit eines ATF muss andererseits sehr gut sein, denn die Bremsbänder eines Automatikgetriebes können nicht gewechselt werden. Was den nun: Reibung ODER Schmierung? Hört sich widersprüchlich an, siehe "Sendung mit der Maus". Ist es aber nicht!

Die High-Tech-Chemie lässt grüßen. So ganz nebensächlich müssen natürlich auch die Lager, Zahnräder und Schaltklauen sachgerecht mit dem Saft geschmiert werden! Man höre und staune: Das Öl wird auch in ganz normalen BMW-Schaltgetrieben verwendet, BMW-Freigabe inklusive. Bingo!

Für die W 2000 ist weiterhin wichtig, dass die Dexron II D Spezifikation den Betrieb eines Getriebes mit Kegelrädern einschließt. TQ-D verfügt wohl über irgendwelche Additive für eine gute Scherfestigkeit, denn die Kegelräder "zermahlen" das Öl sozusagen. Die wasserdünne Konsistenz erleichtert das Schalten ungemein, die Gänge flutschen sauber rein. Mit dem neuen Kupplungszug findet man sogar den verloren geglaubten Leerlauf im Stand. Na ja, mit etwas Gefühl. Sobald die Fuhre nur etwas rollt, schaukeln reicht, ist er da. Kaum zu glauben!

Wo Licht ist, ist auch Schatten: Weil das ATF wasserdünn ist, sind die Getriebegeräusche deutlich zu vernehmen, alles läuft lauter. Dies hat jedoch keine mechanische Konsequenz. Weiterhin muss das Getriebe wirklich dicht sein, sonst sabbert dauernd irgendwo etwas raus.

Bei der Umstellung von SAE-80-Getriebeöl auf ATF dauert es einige Zeit, bis die Kupplung von dem alten Öl sauber gewaschen ist. Vielleicht ist es eine gute Idee, nach vielleicht 500 oder 1000 Kilometern das ATF noch mal zu wechseln.
Eine Beobachtung am Rande: Der Abrieb der Kupplungsbeläge und damit der Verschleiß (?) scheint sehr gering zu sein, denn das Öl ist auch noch nach ein paar tausend Kilometern klar und sauber. Nein, es ist nicht die fehlende Eigenschaft Schmutz in der Schwebe zu halten, denn unten im Getriebe ist praktisch kein Schlamm.

Über den Wechselintervall von ATF im W 2000 Getriebe gibt es natürlich keine gesicherten Erkenntnisse. Die erste Füllung hatte ca. 4000 Km hinter sich und wurde anlässlich einer Abdichtungsaktion (undichter O-Ring auf dem unteren Stehbolzen) gewechselt. Mit 5000 Kilometern sollte man auf der ganz sicheren Seite sein. Im Autogetriebe hält es immerhin 60.000.

Muss es nun TQ-D sein, was ist mit anderen ATF-Ölen? Weiß ich nicht, aber TQ-D funktioniert. Das persönliche Fazit: Reparaturaufwand für´s Getriebe und Einsatz von ATF haben sich wirklich gelohnt.

Klaus Bachmann
´always rotary´

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Letzte Änderung dieser Seite am 24.10.2004