Rennveranstaltungen 2014 - Wankel-Renner:
Pokaljagd in Rijeka/Kroatien - September 2014
(von Ralph Schelle)

Im September 2014 startete das Blue Rotary Team abermals bei der grätig schnellen Rennserie "Grab the Flag" in Rijeka. Die Veranstaltung beinhaltete zwei kurze 20-Minuten-Rennen sowie ein zweistündiges Langstreckenrennen.

Nachfolgende Liste zeigt die wichtigsten Reparaturen und technischen Verbesserungen, die vor dem Renntermin am blauen Rennmotorrad vorgenommen wurden:

1. Die Rennmaschine hatte zu Beginn des Jahres bei Testfahrten in Ingolstadt heftige Aussetzer.
   
Mangels weiterer Testmöglichkeiten wurden prophylaktisch der gesamte Kabelbaum, der Hauptschalter sowie die komplette Zündanlage inkl. Zündspule gewechselt.
2. Beide Rennreifen, die zwar noch nicht abgefahren, aber etwas verhärtet waren, wurden erneuert.
3. Die ehemals starre Fußrastenanlage wurde gegen klappbare Fußrasten getauscht.
4. Der Motor wurde zerlegt und gereinigt.
5. Die hinteren Federbeine wurden einjustiert.
6. Die Telegabel wurde in München von einem Fahrwerksprofi überholt und feinjustiert.

Ein fortwährendes Problem bei Reparaturen und Veränderungen an der Rennmaschine ist, dass wir nicht problemlos Probefahrten durchführen können. Zwar lassen wir die Maschine - wenn nötig - nach erfolgter Reparatur hinterm Haus oder auf wenig frequentierter Straße kurz laufen. Das reicht jedoch bei weitem nicht aus, um etwas richtig zu testen. Deswegen war es auch von großem Vorteil, dass einer der Fahrer (Mike) das Motorrad kurz vor unserer Veranstaltung zu einem Renntraining mitnahm.

Wie sinnvoll das war, zeigten seine Rückmeldungen: Motor vibriert stark! Motor kommt nur unwillig auf höhere Drehzahlen! Kupplung rutscht!

Als die Maschine wieder zurück in Schwäbisch Gmünd war, wurde beratschlagt, wie wir die gemeldeten Unzulänglichkeiten beheben könnten.
- Das Thema Vibrationen erledigte Reiner mit Wuchtgewichtveränderungen "frei nach Schnauze".
- Beim genaueren Betrachten der Rundenzeiten und des Geschwindigkeitsverlaufs der Testfahrten wurde schnell klar,
  dass die Suche nach höherer Drehzahl keinen großen Sinn machte. Denn mit diesen beeindruckenden Rundenzeiten musste der Motor ordentlich Leistung gehabt haben!
- Dem Thema "durchrutschende Kupplung" begegneten wir mit dem Einbau nagelneuer Federn, Stahllamellen und Reibbeläge -
  und mit Getriebeöl, das laut Herstellerangabe speziell gegen durchrutschende Kupplungen hilft.

Damit dürfte die Rennmaschine ausreichend fit sein für das Rennen! Also los!

Rijeka 2014
Rijeka 2014
Unser altbewährtes BRT-Rennmobil wird aufgerüstet.
Anreise zum Rennen ...

In Rijeka angekommen, rückt das Blue Rotary Team, bestehend aus der bewährten Besetzung Martina Gratzl, Katrin Ohlau, Reiner Nikulski und den Fahrern Mike Menyhart und Ralph Schelle, zu ersten Testfahrten aus - um ernüchtert festzustellen: Das Motorrad ist so nicht fahrbar! Die Wirkung der Vorderradbremse ist lau und die Dosierung der Hinterradbremse kennt nur zwei Stellungen: "Alles oder Nichts". Zudem ist der gesamte Vorderbau viel zu unruhig. Viel schlimmer noch ist, dass die Kupplung nach wie vor durchrutscht - so stark, dass an einer Rennteilnahme gar nicht zu denken ist. Also reichlich Arbeit fürs Schrauberteam ...

Wir haben drei Vorderrad-Bremspumpen dabei, yuhuu! Doch: Die erste ist defekt, die zweite auf Grund ihres Kolbendurchmessers ungeeignet und die dritte, eine Radialausführung, erzielt zwar eine traumhafte Dosierbarkeit, ist aber auf Grund des Reglements nicht erlaubt. Blöd! Dann werden wir eben ins Rennen gehen mit einer vorderen Bremse, die nur lau verzögert und mit einer hinteren Bremse, die sich kaum dosieren lässt! Da müssen sich die Herren Fahrer eben darauf einstellen!

Rijeka 2014
Rijeka 2014
Auch beim Reisebedarf muss man Prioritäten setzen können!
Die bewährte Werkzeugbox reist immer mit ...

Das nervöse Vorderrad indes kann durch eine Justierung des Lenkkopflagers beruhigt werden. Eine deutliche Rest-Unruhe aber bleibt. Was mich ein wenig grätig werden lässt: War nicht just jene Gabel vor ein paar Wochen in einer professionellen Generalüberholung? Man könnte jetzt darüber lamentieren, warum ein Profi, der davon lebt, Motorradfahrwerke einzustellen, uns diese Gabel nach erfolgter Überholung bzw. Feinjustierung in einem deutlich schlechteren Zustand zurück gibt, als sie vorher war. Aber lamentieren macht die Gabel jetzt auch nicht besser. So wie die Gabel jetzt ist, werden wir mit ihr fahren.

Bei der Kupplungsgeschichte ist eine Reparatur schon anspruchsvoller. Denn es sei die Frage gestattet, wie man denn eine Kupplung reparieren soll, die nahezu komplett aus Neuteilen besteht! Gute Nacht, wenn uns jetzt nichts dazu einfällt! Ein Rennen auf einem Motorrad mit unruhiger Front und lauen Bremsen zu absolvieren, ist vielleicht noch zu bewerkstelligen, weil der Fahrer sich weitgehend auf diese Unzulänglichkeiten einstellen kann. Eine durchrutschende Kupplung dagegen ist aber richtig schlecht.

Die Hoffnung auf Reduzierung unserer technischen Probleme platzt, als Mike von einer Testfahrt zurückkommt, nicht aber der Schalthebel. Der hat sich in den riffeligen Vertiefungen eines Curbs eingehakt und ist dabei abgebrochen; jetzt liegt er irgendwo. Schlecht! Wir haben Ersatz-Rastenanlagen mit angeflanschten Schalthebeln dabei, doch diese passen nicht mehr, da ja auf das neue System mit den klappbaren Fußrasten umgebaut wurde.
Was tun? Schnell zum Baumarkt; Einkauf diverser Schrauben. Wieder zurück, wird daraus ein brauchbarer Schalthebel.

Rijeka 2014
Rijeka 2014
Und plötzlich war er weg: Der Schalthebel!
Pragmatische Notreparatur mit Teilen vom "Heimwerkermarkt" ...

Bleibt das Problem mit der Kupplung:

Viel Handlungsspielraum haben wir nicht.

Ein kurzerhand vorgenommener Austausch gegen ein anderes Getriebeöl bringt eher eine Verschlechterung. Allzu viel Zeit haben wir jetzt auch nicht mehr. Was tun?

Flugs wird die Kupplung demontiert. Deren Stahllamellen rauen wir mittels auf dem Tisch aufgeklebtem Schleifpapier auf.

Bei dieser Arbeit werden auch gleich die Fingernägel der Bearbeitenden manikürt. Und - wie die Rotfärbung des Schleifpapiers zeigt - auch deren Fingerkuppen!

Rijeka 2014

Eine Probefahrt mit den auf diese Weise angeschliffenen Lamellen zeigt: Die Kupplung hat wieder Grip! Fragt sich bloß, wie lange. Um die Kupplung nicht unnötig zu beanspruchen, verzichten wir auf die Teilnahme der jeweils 20 Minuten langen Cup-Rennen und konzentrieren uns auf unser eigentliches Ding, das kommende Zwei-Stunden-Rennen. Ein Blick in die Rundenzeiten aller Teilnehmer zeigt, dass nur Mike mit Rundenzeiten von 2:02 bis 2:05 Min. konkurrenzfähig fährt; der Schelle dagegen ist mit seinen 2:10- bis 2:15er-Zeiten etwas entspannter unterwegs.

Rijeka 2014

Um dennoch in Pokalnähe zu bleiben, müssen wir uns etwas ausdenken. Tatsächlich gibt es ein hoffnungsvolles Konzept:

1. Zum ersten Mal riskieren wir in einem Zwei-Stunden-Rennen, nicht zu tanken. Reicht denn der Sprit im Renntank? Das wird zwar ganz knapp werden! Egal, wir werden es riskieren!

2. Wir werden alle 3 vorgeschriebenen Boxenstopps in ultrakurzer Zeit erledigen. Dass das Team dazu imstande ist, wissen wir aus vergangenen Rennen.

3. Wir werden unsere Boxenstopps asymmetrisch platzieren, d. h. der langsamere Fahrer bleibt maximal 2 x 20 Minuten draußen, der Schnellere mindestens 2 x 40 Minuten.

Leider stößt letztgenannter Punkt beim schnelleren Fahrer nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die für ihn vorgesehene Fahrzeit ist ihm zu lang. Ich erinnere ihn daran, dass wir im spanischen Langstreckenrennen auch schon Mal 50 Minuten unterwegs waren, doch Mike fürchtet bei längeren Stints Konzentrations-schwierigkeiten. Was tun? Keine Diskussion: Letztlich muss der Fahrer selbst am besten beurteilen, was ihm zuzumuten ist. Wir werden also mit gleichmäßig verteilten Stints fahren.

Rein rechnerisch gesehen, dürften damit unsere Chancen auf einen Pokal dahingeschmolzen sein. Da aber ein Langstreckenrennen auch noch von vielen anderen Faktoren abhängt, ist noch gar nichts entschieden.

15:00 h: Startflagge!
Ich bin als Startfahrer eingeteilt und befinde mich anfangs ganz schön im Getümmel; es geht kuschelig eng zu in den Kurven. Und die Kupplung? Noch hat sie Grip! Mir macht bloß der etwas zu niedrige Reifendruck im Vorderrad zu schaffen, der mir bei größeren Schräglagen jede exakte Linie versaut.

Rijeka 2014

Wir liegen auf dem dritten Platz. Nach 30 Minuten der erste Stopp, der blitzschnell gemeistert wird. Mike ist dran - und schnell unterwegs. Es dauert nur wenige Minuten, da schnappt er sich bereits die Zweitplatzierten Zipf/Orthey auf ihrer heiß gemachten Kawasaki GPZ 305. Jetzt zahlt sich aus, dass Mike eine Woche vor dem Rennen auf just dieser Strecke schon ausgiebig trainierte.

Der schnelle Mike wird pünktlich nach 30 Minuten an die Box geholt, an der abermals blitzschnell gewechselt wird. Ich bin wieder auf der Strecke. Und merke: Mist! Die Kupplung rutscht wieder! Zudem holen Zipf/Orthey wieder auf, aber den von Mike mühsam erkämpften zweiten Platz verteidige ich. Den ersten Platz dagegen belegt indes unbekümmert das seit Rennstart in Führung liegende Team Manuela Heck und Peter Heinzelmeier auf Cup-Maico und Yamaha.

Um 16:30 h signalisiert mir das Boxenteam den dritten und letzten Boxenstopp. Ich fahre an die Box, alles klappt wie am Schnürchen. Oder doch nicht?

Rijeka 2014

Fehler Nr. 1: Reiner betankt planmäßig den inzwischen leeren Tank unserer Träufel-Wasserkühlung mittels einer handelsüblichen PET-Sprudelflasche, die jedoch ihren Inhalt nur widerwillig von sich gibt. In den letzten Rennen hatten wir deutlich ausgussfreudigere Weithals-Flaschen verwendet, die jetzt wohl irgendwie in Vergessenheit geraten waren ...

Und während die Boxenstandzeit länger und länger und länger wird, kommt es zum großen Fehler Nr. 2: Mike schnappt sich den Reservekanister und tankt entgegen unseres Plans nach - ein laut Reglement illegaler Vorgang, denn betankt werden dürfen Motorräder nur dann, wenn keine sonstigen Arbeiten vorgenommen werden. Wenn das jetzt jemand sieht, sind wir draußen. Was inzwischen gar nicht mehr so tragisch wäre, denn mit dieser Boxenstandzeit von über vier Minuten dürfte das Rennen für uns sowieso gelaufen sein. Zumindest die Kawasaki von Zipf/Orthey fuhr eben an uns vorbei ...

Doch das Rennen ist noch nicht zu Ende. Mike röhrt wieder auf die Strecke und ist bereits nach einer Runde an der Kawasaki dran. Und vorbei. Wir sind wieder auf Platz zwei!

Rijeka 2014
Rijeka 2014
Boxenstopps haben es in sich!
Geschafft! Die Wankel rast durch das Ziel...

Doch so schnell lassen sich Orthey/Zipf nicht abschütteln. Auch sie legen im letzten Stint noch eine Schippe drauf. Das wird knapp! Doch dann: Mike gerät in einer S-Kurve ins Schlingern und fährt geradeaus Richtung Kiesbett! Das Aus für das Blue Rotary Team? Nein, es ist nicht das Aus - er kommt wieder zurück auf die Strecke! Und liegt immer noch ganz knapp vor Orthey/Zipf!

Jetzt noch zehn Runden; bitteschön, jetzt keinen Patzer mehr! Wann ist denn endlich das Rennende? Da wird sie geschwenkt, die ersehnte schwarzweiß karierte Flagge! Am Ende bleiben wir nach zwei Stunden auf dem zweiten Platz. Zipf/Orthey liegen gerade Mal 50 Sekunden hinter uns. Und die Erstplatzierten Peter Heinzelmeier und Manuela Heck? Sie fuhren von uns unbehelligt und kommen mit einem satten Vorsprung von über drei Minuten ins Ziel.

Rijeka 2014

Rijeka 2014

Das Blue Rotary Team freut sich über seinen zweiten Platz.
Ungewohnte Sichtweise für Mike: Jetzt sieht er die Führenden von der Seite.
Im Rennen sah er von der erstplatzierten Manuela Heck nur Letztgenanntes.

© 2014 Ralph Schelle, Fotos: Nikulski, Ohlau, Schelle
Hercules Wankel IG - letzte Aktualisierung am 25.12.2014