Entwicklungsgeschichte der Suzuki RE-5:
von Klaus Bachmann

Zur Hochzeit des Glaubens an die uneingeschränkte Zukunft der Wankelmotoren, Anfang der 1970-er Jahre, war Suzuki als einer der Wankel-Lizenznehmer entschlossen, seine Vorstellung vom Motorrad der Zukunft bis zur Serienreife zu realisieren. Die Chancen auf eine erfolgreiche Etablierung am wachsenden Markt schätzte man in Hamamatsu als hervorragend ein. Es sollte eine überragende Maschine werden, die es mit Hondas Erfolgsmodell CB 750 Four aufnehmen konnte. Weiterhin dachte man bei Suzuki über einen Abschied vom großvolumigen Zweitakter nach.

Die Zeit schien also reif für eine revolutionäre neue Maschine, die mit modernster Technik die Bedürfnisse technisch begeisterungsfähiger Fahrer befriedigen würde! Der Markt schien auf ein großes und starkes Motorrad mit der Technik von morgen zu warten. So der Glaube - nicht nur der des Suzuki-Managements …

Suzuki RE-5 eines IG-Mitglieds

Ein wassergekühlter Einscheiben-Wankelmotor mit der Geometrie des NSU Ro-80-Motors sollte es sein. Obwohl der PKW-Motor als konstruktive Vorlage und mit der GT-750 "Wasserbüffel" ein schweres Touren-Zweitaktmotorrad als Fahrzeugbasis zur Verfügung standen, wurde der Entwicklungsaufwand bei Suzuki zunächst unterschätzt. Japanische Großserien-Perfektion stand auf dem Aufgabenzettel, und die Ingenieure mussten in vielen Bereichen absolutes Neuland betreten. Waren Hersteller wie Audi/NSU oder Sachs bereit, für eine akzeptabel preisgünstige Entwicklung Kompromisse einzugehen, so stand bei Suzuki die Perfektionierung auf dem Plan. Jedes noch so kleine Problem, das dem zukünftigen Flaggschiff als Nachteil ausgelegt werden könnte, durfte nicht umgangen sondern musste gelöst werden. Es wurden laut Pressemitteilung im Laufe der RE-5 Entwicklung über 20 neue Patente angemeldet.

Die ersten Prototypen litten anfänglich unter einer Vielzahl von Problemen wie mangelnde Kühlung des Rotors und der Abgasanlage, Undichtigkeiten im Bereich Rotor/Trochoide und damit verbundenem hohen Ölverbrauch sowie Mangelschmierung an den Scheitelleisten. Ursprünglich war ein Ölverbrauch angepeilt, der nicht höher als bei einem gleichstarken Viertakter sein sollte. Die Suzuki-Ingenieure setzten sich 0,75 Liter pro 1000 Kilometer als Ziel.

Man bekam schließlich die mannigfaltigen Probleme während der Entwicklung nach und nach durch äußerst unkonventionelle Maßnahmen in den Griff. Als signifikante Beispiele seien zwei Unterbrecherkontakte, ein sehr komplexer Mikuni Doppelregister-Vergaser, doppelwandige Auspuffanlage und eine zusätzliche Getrenntschmierung genannt. Die an Unterversorgung leidenden Scheitelleisten mussten separat mit Öl versorgt werden. Also konstruierte man zusätzlich zur 2,6 Liter fassenden Nasssumpf-Umlaufschmierung eine klassische Getrenntschmierung per von der Drehzahl abhängig fördernder Öldosierpumpe und 1,7 Liter großem Öltank. Die Ingenieure trieben jeden Aufwand, um ein perfektes Motorrad (im Sinne der 1970-er Jahre) zu schaffen.

Das fertig entwickelte Triebwerk war schließlich mit Ölkühlung für Rotor und Exzenterwelle (OCR - oil cooled rotor) sowie einer konventionellen Flüssigkeitskühlung mit Wasserpumpe für den Trochoidenmantel ausgestattet. Ein Ölkühler sowie ein groß dimensionierter Wasserkühler geben die überschüssige Wärme, von der der Motor reichlich produziert, an die Umgebung ab.

Die aus der Wankel-Welt bekannten glühenden Abgaskrümmer sowie blau verfärbter Chrom waren für die Suzuki Ingenieure untragbar und somit ein weiterer Grund für außergewöhnliche konstruktive Maßnahmen. Neben einem verrippten Krümmer aus Leichtmetall schufen sie die doppelwandige und sehr schwere Schalldämpferanlage, bei der der Fahrtwind mittels separater Lufteinlässe vorn an den Schalldämpfern für Kühlung sorgte.

Die Beseitigung des wankeltypischen Schieberuckelns, von der W 2000 her bestens bekannt, stand ebenfalls auf dem Aufgabenzettel. Die Lösung brachte eine aufwändige mit 2 Unterbrechern ausgestattete CDI-Zündanlage. Bei Teillast wurde mit Hilfe des einen Kontaktes nur jede zweite Kammer gezündet. Mittels eines vom Drehzahlmesser gesteuerten Relais und einer an den Ansaugtrakt angeschlossenen Unterdruckdose wurde bei steigender Drehzahl oder bei Leistungsanforderung durch den Fahrer beim Beschleunigen der zweite Kontakt hinzugeschaltet, so dass nun jede Kammer gezündet wurde.

Suzuki RE-5 eines IG-Mitglieds

Die geforderte Leistungsfähigkeit und Laufruhe des Motors in allen Betriebsbereichen wurde mit dem Doppelregister-Vergaser von Mikuni (18-32 HHD) erkauft. Zwei Drosselklappen, 18 und 32 mm Durchmesser, öffnen nacheinander den primären und sekundären Einlass. Für das Verschwinden von Leistungslöchern sorgt eine membrangesteuerte Beschleunigerpumpe. Die ganze Komplexität der Gemischaufbereitung und Gassteuerung erfordert zur Ansteuerung einen Gaszug, der sich schließlich in fünf (5!) Einzelzüge aufteilt. Perfekte Justierung vorausgesetzt, sorgt die Mikuni-Gasfabrik für eine Elektromotoren ähnliche Leistungsentfaltung. Im anderen Falle wurde der RE-5 Treiber mit üblen Leistungslöchern und heftigen Fehlzündungen vor allem im Übergangsbereich beim Öffnen des sekundären Einlasskanals durch die zweite Drosselklappe bestraft und die damaligen Werkstattleute zur Verzweiflung gebracht. Heute findet sich im Bereich der kommerziellen Wartungsbetriebe wohl niemand mehr, der die RE-5-Technologie warten kann oder will. So bleibt dem Oldtimer-Liebhaber nichts anderes übrig, als sich in vielen Stunden in die Technik der Triebwerksanlage hineinzudenken. Es sei erlaubt, der W 2000 ein "Eins zu Null" zuzusprechen: Wie einfach lebt es sich doch mit dem simplen Bing-Vergaser.

Blick auf das wuchtige Kreiskolben-Aggregat!

Originale Literatur in Form von Werkstatthandbüchern, Teilelisten mit detaillierten Zeichnungen sowie Service-Bulletins sind heute problemlos verfügbar. Die Suzuki-Dokumentation ist gründlich und vollständig. Dies entspricht der gesamten Philosophie der geplanten Markteinführung der RE-5. Mit Konstruktion der RE-5 wurde nicht nur ein Motorrad geschaffen, sondern auch ein gesamtes Service-System drum herum: Ausbilder wurden in Japan geschult, um mit umfangreichem Material ausgestattet als Multiplikatoren das Wissen über die neue High-Tech-Maschine an die Importeure und Werkstätten weltweit weiterzugeben. Reißender Absatz war prophezeit und Lager mit Bergen von Ersatzteilen wurden angelegt, um dem Servicebedarf der vielen verkauften Maschinen gerecht zu werden. Die Logistik stand und alle waren bereit. Es sollte 1974 eine neue Motorradepoche eingeläutet werden und - nichts geschah! Der Markt blieb zurückhaltend.

Teurer, schwerer und langsamer als die vierzylindrige Konkurrenz hatte die innovative Suzi keine Chance. Ein zweiter Versuch, den Markt nach dem ersten Modell ´M´, (erkennbar an der zweifelhaft schönen Instrumententrommel), mit dem Nachfolgemodell ´A´ zu erobern, scheiterte ebenfalls. Das Modell ´A´ erhielt geringe technische und optische Veränderungen. Es ist an der fehlenden Instrumententrommel, den "normalen Instrumenten" und dem gefälligeren Aussehen leicht zu erkennen.

Das Fiasko in Zahlen: Von der RE-5 sollen in Deutschland zwischen 1975 und 1978 nur 65 Stück verkauft worden sein! In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Angaben, jedoch ein paar Exemplare mehr oder weniger spielen bei der Erfolgsbewertung wohl keine Rolle. In anderen europäischen Ländern waren die Verkaufszahlen ebenfalls katastrophal niedrig. So sollen in Frankreich um die 90 Stück in Kundenhand gelangt sein. In Anbetracht der gewaltigen Vorbereitungen wurde die RE-5 zu Suzukis wirtschaftlichem Albtraum.

War die RE-5 nun eine schlechte Maschine? Nein, gewiss nicht. Aber sie war ihrer Zeit voraus, und so ereilte sie das gleiche Schicksal wie manch andere Wankel-Fahrzeuge.

Technische Daten:
Gewicht: 260 kg (fahrfertig)
Radstand: 1,50 m
Motor: eine Scheibe, 497 cm³
Motorleistung: 46 Kw (63 PS)
Verdichtung: 8,6
Vergaser: Mikuni Doppelregister 18-32HHD
Kühlung: Wasser/Öl
Schmierung: Nasssumpf 2,6 l
Tankinhalt 17 Liter, inkl. 4,5 Liter Reserve
Zündung: Kondensatorzündung, kontaktgesteuert
Lichtmaschine: 12V 280 W
Primärantrieb: Duplex-Rollenkette
Kupplung: Ölbad
Getriebe/Antrieb: 5 Gang, klauengeschaltet, Kette
Preis 1975: 8.850,- DM (ca. 4.400 EUR)

Bilder und Text: © 2004 Klaus Bachmann - Hercules Wankel IG - letzte Aktualisierung am 26.01.2005  

Ergänzung von Reiner Nikulski:

Über die Firma Zweirad-Röth wurden folgende RE-5 nach Deutschland importiert:

Monat Fahrgestell-Nr.
März 1975: 10750, 10751, 10752, 10846, 10847
April 1975: 12744-12753
Mai 1975: 13755-13787

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