Historische Entwicklung von Wankelmotorrädern
in der ehem. Deutschen Demokratischen Republik
von Reiner Nikulski

Erst nach der Öffnung des Ostens 1989 wurde nach und nach bekannt, wie intensiv Hochschulen in der ehemaligen DDR an der Optimierung von Spülung und Gemischbildung am Zweitaktmotor gearbeitet hatten. Von diesen Erkenntnissen ist jedoch damals kaum etwas in die zeitgenössischen Wartburg-, Trabant- und MZ-Motoren übernommen worden.

Genauso sind damals im Westen keinerlei Veröffentlichungen über die Wankel Aktivitäten bei MZ in den 1960-er Jahren bekannt geworden. Die Motorräder sind zwar im Motorradmuseum in Augustusburg erhalten geblieben, standen dort jedoch lange Zeit halb verdeckt im hinteren Bereich, so dass keinerlei Details erkennbar waren. Erst durch eine MZ Sonderschau 1994 im Neckarsulmer Zweiradmuseum änderte sich dies.

Info-Tafel im Horch-Museum Zwickau - durch Klicken vergrößerbar!

Als Basis diente eine Weiterentwicklung der MZ BK 350, also der Maschine mit Zweitakt Boxermotor, von der auch die Kraftübertragung mit Kardanantrieb übernommen wurde. Der sehr kompakte, wassergekühlte Kreiskolbenmotor hat in etwa den gleichen Durchmesser wie das Getriebe und fügt sich mit seinem Kupplungsflansch gut an dieses an.

Prototyp MZ Wankel auf BK 350 Basis

Der vor dem Motor liegende Flansch mit Zündanlage und Generator wird vollkommen von dem voluminösem Wasserkühler - offenbar ein Thermosyphon-Prinzip - verdeckt. Bei den Gaswegen machte man sich vermutlich die damals gerade beim Zweitakter gewonnenen Erkenntnisse zu Nutze. Der Wankelmotor mit seinem sehr langen Einlasswinkel von 270 Grad brauchte demnach sehr lange Leitungen, um Resonanzeffekte zu erzeugen. Ob diese Erkenntnis vollständig vom Zweitakter übertragbar ist, mag dahingestellt sein, zumindest wurde an der MZ Wankel ein sehr langes Ansaugrohr verwendet.

Eine großvolumige Beruhigungskammer im rechten Beinschützer speist den Luftfilter und einen recht zierlichen Concentric-Vergaser. Von dort strömt das Gemisch über ein langes, provisorisch wirkendes Rohr mit 180 Grad Bogen quer durch das ganze Motorrad in den links liegenden Umfangseinlass. Bei Leerlauf und Schwachlastbetrieb dürfte der Motor damit ein ähnliches Ruckelverhalten wie eine Hercules W 2000 mit defekter Unterdruckdose gehabt haben.

MZ Wankel - rechte Motorseite

Der Auspuff führt vom linksseitig gelegenen Auslasskanal zunächst nach vorn und wiederum quer vor dem Motor entlang nach rechts, dann nach hinten in einen konventionell wirkenden Schalldämpfer.
Wie bei den ersten NSU Motoren ist eine Doppelzündung mit zwei hintereinander liegenden Zündkerzen installiert, wobei die Art des Zündsystems (Magnet oder Batteriezündung) von außen nicht erkennbar ist.

Der Motor besitzt einen Ölkreislauf, hat also wahrscheinlich wie die NSU Motoren Gleitlagerung und Rotorölkühlung. Eine auf dem Getriebe liegende Pumpe wird aus einem separaten Öltank links unterhalb des Sattels gespeist. Die dadurch eingesparte Ölwanne unterhalb des Motors kommt der Optik sehr zugute und verdeutlicht besonders die Kompaktheit des Motors. Die Pumpe fördert das Öl über einen vor dem Wasserkühler liegenden Ölkühler in das Motorgehäuse. Aus dem unteren Teil des Motors gelangt das Öl zurück in den höher liegenden Öltank, was eine zusätzliche Absaugpumpe erfordern dürfte, die aber von außen nicht sichtbar ist.

MZ Wankel - linke Motorseite

Die Leistung wird bei einem Kammervolumen von 175 cm³ mit 24 PS bei 6850 U/min angegeben, was bei den thermischen Voraussetzungen glaubhaft erscheint. Zum Vergleich: Die mit dem 175 cm³ Zweitaktmotor ausgerüstete MZ hatte zur damaligen Zeit 12 PS bei 5000 U/min.

Instrumente für Wassertemperatur, Druck im Wasserkühler und Drehzahlmesser sowie der km-Stand von 38.700 deuten darauf hin, dass das Motorrad recht intensiv getestet wurde. Das gesamte Ölschlauch-System sah zum Zeitpunkt der Ausstellung neuwertig aus. Dies könnte bedeuten, dass die Maschine vor der Ausstellung zum Laufen gebracht wurde!

Laut MZ Firmengeschichte wurde die Maschine damals als zu aufwendig für eine Serienproduktion angesehen. Anfang der 1960-er Jahre war sowohl im Westen als auch noch extremer im Osten die Zeit der einfach und preisgünstig konzipierten Motorräder, so dass sich diese Sichtweise leicht nachvollziehen lässt. Mit einem kompakterem Wasserkühler, optisch geschickter verlegten Gaswegen und einem moderneren Styling hätte die Maschine jedoch sicher auch damals ein gutes Bild abgeben können.

MZ versuchte es 1965 nochmals mit einem einfacheren, luftgekühlten Wankelmotor gleicher Leistung auf ES 250/2 Basis. Ob sich damit ähnliche thermische Schwierigkeiten wie zu jener Zeit bei Fichtel & Sachs ergaben, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Zumindest wurde auch diesmal keine Serienproduktion realisiert, was primär eine Entscheidung der politisch Verantwortlichen gewesen sein dürfte ... Wahrscheinlich verhielt es sich wie bei der oben genannten Zweitakt-Forschung: Warum etwas Neues bringen, wenn man das alte noch gut verkaufen kann! Zumindest in diesem Punkt waren sich damals die sozialistische Planwirtschaft des Ostens und die westliche Marktwirtschaft einig.

MZ Wankel -Motorversion 1965 - luftgekühlt

Wie hoch der Versuchsmotorenbau bei den DDR-Kombinaten und besonders in den Zwickauer Werkshallen ab Mitte der 1960-er Jahre schon entwickelt war, zeigt das nachfolgende Bild von einem Wasser gekühlten PKW-Wankelmotor. Dieser Motor war mit einer ausgeklügelten, hoch komplexen Mechanik zur lastabhängigen Steuerung einer Umschaltung von Seiten- auf Umfangseinlass ausgestattet und verfügte über für die damalige Zeit sehr moderne Anbauaggregate, wie Patronen-Ölfilter im Hauptstrom und Drehstromgenerator! Dies war bei zeitgleichen westlichen Entwicklungen noch kein allgemeiner Standard!

PKW Wankelmotor aus  DDR-Entwicklung

Im folgenden Bild wird das Schnittmodell eines Wasser gekühlten Einscheiben-Wankelmotors gezeigt, der als Nachfolger für den Zweitakter des "Trabant" (Sachsenring Werk, Zwickau) vorgesehen war. Dieser Versuchsmotor besticht durch seine kompakte Bauweise und sein damit geringes Gesamtgewicht:

PKW Wankel-Einscheibenmotor für Trabant

Die Entwicklung gipfelte im nachfolgend abgebildeten Aggregat: Ein Zweischeiben-Wankelmotor mit jeweils einem Fallstromvergaser pro Scheibe. Dieser Motor sollte den Zweitakter im Wartburg ablösen, kam aber leider nie zur Serienproduktion!

PKW Zweischeibenmotor für  Wartburg

Die nachfolgende Beschreibung (Info-Tafel aus dem Horch-Museum Zwickau) lässt sich zur besseren Lesbarkeit durch Klicken vergrößern:

Info-Tafel im Horch-Museum Zwickau zu den PKW-Wankelmotoren: Durch Klicken vergrößerbar!

Leider wurden alle diese Projekte nicht in einen Serienbau umgesetzt, sondern blieben mehr oder weniger auf dem Niveau von Teststudien und Prototypen. Hätte sich die damalige politische Führung für eine Produktion entschieden, wäre vielleicht die gesamte Verbreitung und Akzeptanz des Wankelmotors auch im Westen anders verlaufen!

Bilder und Text: © 2005 Reiner Nikulski - Hercules Wankel IG - letzte Aktualisierung am 26.01.2005  

 

Literaturhinweis:

In der Zeitschrift "bikers live" Nr. 4/1995 erschien im Juli/August 1995 ein interessanter Bericht zum Thema Wankelentwicklung in der früheren DDR, den wir hier mit freundlicher Genehmigung der Redaktion eingefügt haben:
Klicken auf die Bilder = vergrößern!

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Alle Bilddateien (Abdrucke) aus "bikers live" (jetzt "CUSTOMBIKE") Heft 4/95, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Die Bilddateien sind etwas größer - mit Modem dauert das Laden bis zu einer halben Minute!

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